Am Abend des 20. Februar 1971 verwandelte sich der Showroom des Las Vegas Hilton in eine Bühne von fast überirdischer Dramaturgie. Noch ehe Elvis Presley das Licht der Scheinwerfer betrat, legte sich schlagartig Dunkelheit über den Saal – dann setzte ein grollender Orgelton ein, gefolgt von triumphal anschwellenden Trompeten und donnernden Pauken. Die sinfonische Einleitung zu Richard Strauss’ „Also sprach Zarathustra“ – spätestens seit Stanley Kubricks Filmklassiker 2001: Odyssee im Weltraum als Klangbild für Größe, Aufbruch und Erhabenheit etabliert – entfaltete ihre volle Wucht.
Mit dem finalen Akkord trat Elvis ins Licht: ganz in Weiß, die Arme weit ausgebreitet, bereit, sein Publikum in den Bann zu ziehen. Was hier in gerade einmal 90 Sekunden geschah, war mehr als eine Show-Eröffnung – es war die Geburtsstunde eines musikalischen Rituals, das zur Ikone seiner späten Karriere werden sollte.
Elvis Presley Comeback: Die Jahre 1968 und 1969
Nach einer fast ein Jahrzehnt andauernden Phase, in der Elvis Presley hauptsächlich durch seine Filmkarriere präsent war und sich von der Konzertbühne fernhielt, feierte der „King of Rock’n’Roll“ 1968 ein spektakuläres Live-Comeback. Das NBC-TV-Special, später als „’68 Comeback Special“ berühmt geworden, markierte den Wendepunkt – ein musikalisches Wiedererwachen, das Presley zurück ins Zentrum der Bühnenwelt katapultierte.
Sein Manager Colonel Tom Parker erkannte rasch das kommerzielle Potenzial dieser Renaissance und handelte für Elvis eine feste Spielstätte im gerade neu eröffneten International Hotel in Las Vegas aus. Der opulente Showroom mit 2.000 Sitzplätzen wurde fortan zum Schauplatz einer neuen Phase im Elvis-Mythos.
Als Elvis im Juli 1969 erstmals dort auftrat, brach er mit seiner Konzertreihe sämtliche Besucherrekorde der Stadt. Doch trotz des kommerziellen Erfolgs war die Bühneninszenierung zunächst noch stark an traditionelle Showformate angelehnt – solide, aber dramaturgisch wenig visionär.
Erst mit der Verpflichtung von Joe Guercio als musikalischem Leiter sollte sich das ändern. Guercio erkannte, dass ein moderner Superstar wie Presley mehr brauchte als bloßen Applaus: Er brauchte ein Eröffnungsritual, das Größe und Bedeutung vermittelte – einen Auftakt, der mehr war als nur der erste Song. Die Suche nach einem musikalisch wie emotional wirkungsvollen Opening begann – und sollte wenig später zur Geburtsstunde eines der ikonischsten Konzertintros der Musikgeschichte führen.

Geburtsstunde eines musikalischen Markenzeichens
Es war ein Kinobesuch mit weitreichenden Folgen: Als Joe Guercio im Jahr 1970 gemeinsam mit seiner Frau eine Wiederaufführung von Stanley Kubricks „2001: Odyssee im Weltraum“ besuchte, ertönte zu Beginn der eindrucksvolle Auftakt von Richard Strauss’ „Also sprach Zarathustra“. In diesem Moment flüsterte seine Frau ihm zu: „Stell dir vor, Elvis würde genau jetzt auf die Bühne treten.“ Für Guercio war das mehr als nur eine Idee – es war die zündende Inspiration.
Zurück im Hilton Hotel (früher International Hotel) griff er zur Partitur, kürzte das Stück auf eine konzerttaugliche Länge von knapp zwei Minuten und arrangierte es neu für das Orchester der Showband. Mit großem Gespür für Wirkung und Timing setzte er auf Pauken, Blechbläser und Orgel, um dem Moment größtmögliche Dramatik zu verleihen.
Am 20. Februar 1971 wurde das neue Intro erstmals live erprobt. Noch bevor Elvis die Bühne betrat, hatte das Publikum den Auftakt mit frenetischem Jubel quittiert. Die Wirkung war derart elektrisierend, dass Elvis Presley spontan entschied: Dieses Intro sollte von nun an jede seiner Shows eröffnen. Ein künstlerisches Stilmittel war geboren – und wurde zum unverkennbaren akustischen Markenzeichen des King.
Von Richard Strauss zu Stanley Kubrick
Als Richard Strauss im Jahr 1896 sein sinfonisches Tongedicht „Also sprach Zarathustra“ uraufführen ließ, verarbeitete er darin zentrale Ideen aus Friedrich Nietzsches gleichnamigem philosophischen Werk – darunter den Gedanken der ewigen Wiederkehr, den Übermenschen und die spirituelle Selbstüberwindung. Doch von der komplexen Programmmusik blieb im kollektiven Gedächtnis vor allem eines haften: der monumentale „Sonnenaufgang“, jene knapp 90-sekündige, mit tiefem Orgelton und aufsteigenden Bläserfanfaren inszenierte Eröffnungspassage.
Diese wurde 1968 durch Stanley Kubricks Meisterwerk „2001: Odyssee im Weltraum“ neu kontextualisiert. Kubrick verwendete die Fanfare als symbolisches Leitmotiv für Evolution, Erkenntnis und den Sprung ins Unbekannte – und verlieh ihr damit eine fast mythische Dimension. Fernsehsender auf der ganzen Welt griffen das Stück bei den Apollo-Weltraummissionen auf, um wissenschaftlichen Aufbruch mit musikalischer Erhabenheit zu unterstreichen. Die Fanfare wurde so nicht nur zu einem akustischen Synonym für kosmischen Aufstieg, sondern auch zu einem universell verständlichen Code für Größe, Pathos und Anfang.
Partitur trifft Rockband – Das Elvis-Arrangement
Als musikalischer Leiter entwickelte Joe Guercio aus Richard Strauss’ sinfonischen Werk ein präzise auf die Elvis-Show zugeschnittenes Arrangement von rund einer Minute und vierzig Sekunden Länge. Er reduzierte das Werk auf seine pompöse Einleitung und orchestrierte diese dramatisch: Ein sonorer Orgelton im Bassbereich eröffnet die Sequenz, gefolgt von sechs Trompeten, vier Posaunen, wuchtigen Kesselpauken, jazzigen Big-Band-Saxophonen und modernen ARP-Synthesizer-Streichern.
Die Klangdichte gipfelt exakt in dem Moment, in dem Schlagzeuger Ronnie Tutt nahtlos in den treibenden Rhythmus des Eröffnungssongs „See See Rider“ überleitet. Die nahtlose Verbindung von klassischem Pathos und Rock-Energie war nicht nur ein akustisches Statement, sondern auch ein wegweisendes Konzept, das später von Bands wie Queen oder U2 für ihre Arena-Inszenierungen aufgegriffen wurde.
Das Zusammenspiel aus Musik, Licht und Timing wurde zu einem Ritual mit choreographischer Präzision: Sobald die Zuschauerreihen in Dunkelheit gehüllt waren, setzte die Tonbandaufnahme der Fanfare ein. Die Bühne blieb zunächst unsichtbar, während sich der Klang in dramatischer Steigerung aufbaute. Erst mit dem finalen Blechbläser-Akkord explodierte das Licht in grellem Weiß, unterstützt von einem einzigen fokussierten Xenon-Spot.
Elvis Presley trat in typischer Pose auf: die Arme leicht gespreizt, der Oberkörper nach vorn geneigt, ein Standbild zwischen Kampfansage und Ikonografie. Noch bevor das Publikum den Eindruck verarbeiten konnte, stürzte die Band bereits in den Eröffnungssong. Viele Fans berichteten später, dass allein dieser monumentale Moment der Eröffnung für sie Grund genug war, mehrfach die gleiche Show zu besuchen.
Auftrittsjahre 1971-1977 – Setlisten und Varianten
In den intensiven Tourjahren zwischen 1971 und 1977 entwickelte sich „Also sprach Zarathustra“ zur unverrückbaren Konstante im Bühnenprogramm von Elvis Presley. Ob im ausverkauften Madison Square Garden im Juni 1972 oder ein Jahr zuvor im Boston Garden – der bombastische Strauss-Auftakt gehörte zum Pflichtprogramm jeder Show. Seine Funktion war mehr als nur musikalisch:
Er erzeugte eine sakrale Erwartungshaltung, öffnete ein akustisches Portal für die Erscheinung des „King Of Rock ’n‘ Roll“. Ein Rezensent der New York Times fasste die Wirkung treffend zusammen, als er schrieb, Elvis betrete die Bühne „wie ein Prinz von einem anderen Planeten“.
Trotz der festen Struktur blieben kleine Abweichungen im Arrangement erlaubt. Aufnahmen von Konzertmitschnitten – sogenannte Bootlegs – belegen, dass die Dauer der Fanfare leicht variierte, abhängig von Bühne, Technik und Elvis‘ Auftrittstemperament. Der majestätische Charakter blieb jedoch stets unangetastet. Die Musiker der TCB Band entwickelten sogar eine Art spielerischen Ehrenkodex: Wer bei einem Auftritt den alles entscheidenden Schlussakkord der Fanfare verpasste, musste in einen internen Strafgeld-Topf einzahlen.
„Aloha from Hawaii“ 1973: Ein globales Spektakel
Ein besonderer Höhepunkt in der Geschichte des Zarathustra-Intros markierte das legendäre „Aloha from Hawaii“-Konzert am 14. Januar 1973. In einer bis dahin beispiellosen Live-Übertragung via Satellit wurde Elvis aus dem Honolulu International Center in über 40 Länder übertragen – und das in einer Zeit, in der Satellitenfernsehen noch als technologische Sensation galt.
Bereits die Eröffnung geriet zum Gänsehautmoment: Während die Kamera langsam vom gigantischen, glitzernden „ELVIS“-Leuchtschriftzug in die dunkle Bühne glitt, schwoll der Klang von „Also sprach Zarathustra“ in monumentaler Lautstärke an. Sekunden später trat Elvis aus dem Schatten ins Licht, eingehüllt in ein weißes Cape mit amerikanischer Adler-Stickerei – und die Show nahm ihren Lauf. Auf der offiziellen Doppel-LP zur Show wird das Stück als „Introduction: Also Sprach Zarathustra (Theme from 2001)“ aufgeführt, was sowohl seine klassische Herkunft als auch seine Popkultur-Aufladung anerkennt.
Die letzten Takte: Indianapolis, 26. Juni 1977
Auch in den letzten Monaten seines Lebens blieb Elvis Presley seinem bewährten Bühnenritual treu. Bei seinem allerletzten Konzert, am 26. Juni 1977 in der Market Square Arena in Indianapolis, erklang die Strauss-Fanfare ein letztes Mal – zum 1.145. Mal, wie manche Fans später schätzen. Mitschnitte dieses Abends zeigen eine leicht gekürzte Version der Einleitung, reduziert auf etwa 85 Sekunden, vermutlich angepasst an Elvis inzwischen verlangsamten Bühnenweg.
Trotz der physischen Veränderungen des Sängers blieb die Wirkung von „Also sprach Zarathustra“ ungebrochen. Als Elvis das Mikrofon erreichte und sein typisches Begrüßungslächeln zeigte, brach das Publikum in stehenden Jubel aus – ein minutenlanger Applaus, der sich wie eine stille Vorahnung anfühlte. Nur wenige Wochen später, am 16. August 1977, sollte der King für immer verstummen. Doch mit jeder Neuaufführung seiner Konzerte – ob auf DVD, in Dokumentationen oder holografischen Tribute-Shows – lebt jener erste Klangmoment weiter, der einst als musikalischer Sonnenaufgang über dem Rock ’n’ Roll erschien.
Kulturelles Erbe: Von Jazz bis Wrestling
Die Eröffnungsfanfare aus Richard Strauss’ „Also sprach Zarathustra“ entwickelte sich weit über ihren ursprünglichen Kontext hinaus zu einem festen Bestandteil globaler Popkultur. 1973 landete der brasilianische Musiker Eumir Deodato mit einer jazz-funkigen Neuinterpretation des Stücks einen internationalen Hit – seine Version wurde nicht nur weltweit in Clubs und Radios gespielt, sondern auch mit einem Grammy Award ausgezeichnet.
Parallel dazu fand das kraftvolle musikalische Musikintro Eingang in eine ganz andere Welt: Der amerikanische Wrestler Ric Flair machte die Strauss-Fanfare zu seiner offiziellen Einzugsmusik und prägte damit ein ganz eigenes Ritual des Showbusiness. Interessant ist auch, dass Ric Flair am 25. Februar 1949 in Elvis Heimatstadt Memphis, Tennessee geboren wurde.
Doch damit nicht genug – die berühmten ersten drei Töne des Stücks gelten seither als akustisches Sinnbild für übersteigerte Dramatik und werden häufig in Filmen, Serien und Satirebeiträgen zitiert, wenn es um pompöse Übertreibung geht. Selbst in technologisch aufwendigen Elvis-Hommagen blieb das Intro präsent: Die Konzerttournee „Elvis: The Concert“ der 1990er Jahre eröffnete konsequent mit einem digital rekonstruierten „Zarathustra“-Intro.
Fazit
Auch über vier Jahrzehnte nach dem Tod von Elvis Presley hat der monumentale Auftakt mit „Also sprach Zarathustra“ nichts von seiner Wirkung eingebüßt. Ob bei Touren durch Graceland, in filmischen Biographien oder in Tribute-Shows – die sinfonische Fanfare fungiert längst als klangliches Erkennungszeichen für das Spätwerk des King Of Rock ’n‘ Roll.
Was einst als cineastischer Geniestreich begann, wurde zu einer legendären Klangsignatur, die Elvis‘ einzigartige Fähigkeit unterstreicht, Musik, Inszenierung und Selbstmythos zu einer unvergesslichen Bühnensprache zu verschmelzen. Der Strauss-Opener ist mehr als ein Intro – er ist das akustische Eingangstor zu jenem musikalischen Kosmos, in dem Presley bis heute als hell leuchtender Stern am Künstlerhimmel gilt.