Sessions

Elvis Presley im Stax-Studio 1973

Im Juli 1973 trafen sich zwei der größten musikalischen Legenden von Memphis: Elvis Presley und das Stax-Studio. Elvis war auf der Suche nach einem Neuanfang und entschied sich, in der Stadt, die seine Karriere begründet hatte, neue Musik aufzunehmen. Das Stax-Studio, bekannt für seinen unverwechselbaren Soul-Sound und Künstler wie Isaac Hayes und Otis Redding, war zu dieser Zeit ein leuchtendes Zentrum der Musikszene. Für Elvis war dies eine Gelegenheit, seine musikalische Freiheit zu erkunden, auch wenn sein Leben von persönlichen Herausforderungen geprägt war – allen voran die Trennung von seiner Frau Priscilla.

Die Stax-Sessions boten die Möglichkeit, Elvis mit den führenden Musikern der Stadt zusammenzubringen. Doch die Aufnahmen waren eine gemischte Erfahrung: Der King of Rock ’n‘ Roll rang mit seinen Emotionen und hatte Schwierigkeiten, die richtige musikalische Stimmung zu finden. Dennoch gelang es ihm, in den späteren Sessions im Dezember 1973 einen Funken seiner alten Stärke wiederzuentdecken. Diese Aufnahmen gelten heute als letztes großes Aufbäumen eines Mannes, dessen musikalisches Erbe unvergessen bleibt.

Ein Wendepunkt in Elvis‘ Karriere und Leben

Im Jahr 1973 befand sich Elvis an einem Scheideweg – sowohl in beruflicher als auch in persönlicher Hinsicht. Sein langjähriger Manager Colonel Tom Parker hatte Elvis‘ Musikkatalog an RCA verkauft, was seine finanzielle Freiheit sicherte. Gleichzeitig hatten Elvis und Parker mit Whitehaven Music ihre eigene Musikfirma gegründet, um die Kontrolle über ihre Veröffentlichungen zu stärken. Dennoch war diese Phase seines Lebens von persönlichen Problemen überschattet, insbesondere von der Trennung von seiner Frau Priscilla Presley. Dieser Umstand und der anhaltende Druck, neue Musik zu liefern, machten diese Zeit für Elvis zu einer schwierigen Phase.

Colonel Parker und Elvis im Stax-Studio, Dezember 1973
Manager Colonel Tom Parker und Elvis Presley im Stax-Studio in Memphis im Dezember 1973

Marty Lacker – ein enger Freund und Vertrauter von Elvis Presley und Mitglied der „Memphis Mafia“ – der bereits 1969 an den legendären American Studio-Sessions beteiligt war, wurde von Elvis in sein Zuhause, Graceland, gerufen. Elvis bat ihn, ein Studio in Memphis zu finden, da er nicht weit von seiner Tochter Lisa Marie entfernt sein wollte. Lacker schlug das Stax-Studio vor, das durch den Erfolg von Isaac Hayes‘ „Shaft“-Soundtrack und anderen Hits auf einem Höhepunkt war. Die Wahl fiel auf Stax, nicht nur wegen der Nähe zu Graceland, sondern auch, weil es als sicherer Ort für die privaten Elvis-Sessions diente.

1. Stax-Session im Juli 1973 – Zwischen Frust und musikalischem Potenzial

Am 21 Juli 1973 betrat Elvis das Stax-Studio für seine erste Session, doch die Atmosphäre war von seiner schwierigen Gemütslage geprägt. In den drei Tagen der Aufnahmen wurde schnell deutlich, dass Elvis’ Auftrittsstärke stark von seiner Stimmung abhing. Noch belastet von den Ereignissen rund um seine Scheidung, fiel es ihm schwer, sich auf die Musik einzulassen, und das ausgewählte Material entsprach nicht seinen Erwartungen. Songs wie „Three Corn Patches“ und ähnliche sentimentale Titel schafften es nicht, die Leidenschaft und das Feuer in ihm zu entfachen.

Elvis fühlte sich zudem durch einige Songs emotional belastet, da er sich nicht in der Lage sah, Texte zu singen, die seine eigene, noch frische Trennung von Priscilla widerspiegelten. So probte er den emotionalen Song „We Had It All“, aber befürchtete, dass Fans diesen zu persönlich auf ihn beziehen könnten und entschied sich, ihn letztlich nicht aufzunehmen.

Während dieser Session arbeitete er mit einigen seiner langjährigen Bandmitglieder der TCB-Band zusammen, wie dem Gitarristen James Burton und dem Schlagzeuger Ronnie Tutt. Einige bekannte Stax-Musiker, wie der Bassist Duck Dunn und der Gitarrist Bobby Manuel, waren ebenfalls dabei. Manuel war besonders aufgeregt, da er hoffte, mit Elvis Songs aus dem berühmten Stax-Katalog zu spielen. Doch der Plan, ikonische Stax-Songs wie jene von Otis Redding zu interpretieren, wurde letztlich nicht umgesetzt. Stattdessen konzentrierten sich die Sessions auf anderes Material, das für Elvis’ Stimmungszustand nicht förderlich war.

Aufnahmen von 21. – 23. Juli 1973

  1. If You Don’t Come Back
    (Session: 21. – 23. Juli 1973, Stax Studios, Memphis)
  2. Three Corn Patches
    (Session: 21. – 23. Juli 1973, Stax Studios, Memphis)
  3. Take Good Care of Her
    (Session: 21. – 23. Juli 1973, Stax Studios, Memphis)
  4. Find Out What’s Happening
    (Session: 21. – 23. Juli 1973, Stax Studios, Memphis)
  5. I’ve Got a Thing About You Baby
    (Session: 21. – 23. Juli 1973, Stax Studios, Memphis)
  6. Just a Little Bit
    (Session: 21. – 23. Juli 1973, Stax Studios, Memphis)
  7. Raised on Rock
    (Session: 21. – 23. Juli 1973, Stax Studios, Memphis)
  8. For Ol’ Times Sake
    (Session: 21. – 23. Juli 1973, Stax Studios, Memphis)
  9. Girl of Mine
    (Session: 21. – 23. Juli 1973, Stax Studios, Memphis)
  10. Sweet Angeline
    (Session: 21. – 23. Juli 1973, Stax Studios, Memphis)

Sessioninfos

  • Aufnahme: 21. – 23. Juli 1973, Stax Studios, Memphis
  • Gitarre: James Burton, Reggie Young, Charlie Hodge
  • Bass: Tommy Cogbill
  • Schlagzeug: Ronnie Tutt, Jerry Carrigan
  • Piano: Bobby Wood
  • Orgel: Bobby Emmons
  • Gesang: Kathy Westmoreland, Mary (Jeannie) Greene, Mary Holladay, Ginger Holladay, J.D. Sumner & The Stamps
  • Overdub-Gitarre: Dennis Linde

2. Stax-Session im Dezember 1973 – Eine künstlerische Wiedergeburt

Fünf Monate später, im Dezember 1973, kehrte Elvis für eine zweite Aufnahmesession (10. – 16. Dezember 1973) ins Stax-Studio zurück. Inzwischen war seine Scheidung offiziell vollzogen, und Elvis hatte eine neue Beziehung zu Linda Thompson, einer ehemaligen Schönheitskönigin aus Tennessee, begonnen. Physisch und emotional gestärkt, trat er voller Energie in diese Session. Diese Zeit markierte einen Wendepunkt für ihn, da er den emotionalen Schmerz der vergangenen Monate hinter sich lassen konnte.

Für die zweite Session arbeitete Elvis mit neuen Musikern, darunter einigen Veteranen der Muscle Shoals Szene wie dem Bassisten Norbert Putnam. Putnam bemerkte schnell, dass Elvis wieder auflebte und seine Rolle als musikalischer Anführer der Band übernahm. Elvis war in der Lage, die Musiker mit seiner Präsenz und seiner Stimme zu leiten und eine inspirierende Atmosphäre im Studio zu schaffen.

In dieser Session konnte Elvis seine musikalische Kraft voll entfalten. Das Material war wesentlich stärker als in der Juli-Session und umfasste Songs von einigen seiner Lieblingsautoren, wie Dennis Linde, dem Schöpfer von „Burning Love“, sowie Jerry Reed, dem Komponisten des Hits „Guitar Man“. Selbst weniger gewichtige Stücke, wie „Mr. Songman“, wurden durch Elvis’ stimmliche Interpretation zu bewegenden Darbietungen. Das warme und entspannte Ambiente im Studio trug dazu bei, dass Elvis seine charismatische Präsenz wieder voll auslebte.

Aufnahmen vom 10. – 16. Dezember 1973

  • I Got a Feeling in My Body
    (Session: 10. – 16. Dezember 1973, Stax Studios, Memphis)
  • It’s Midnight
    (Session: 10. – 16. Dezember 1973, Stax Studios, Memphis)
  • You Asked Me To
    (Session: 10. – 16. Dezember 1973, Stax Studios, Memphis)
  • If You Talk in Your Sleep
    (Session: 10. – 16. Dezember 1973, Stax Studios, Memphis)
  • Mr. Songman
    (Session: 10. – 16. Dezember 1973, Stax Studios, Memphis)
  • Thinking About You
    (Session: 10. – 16. Dezember 1973, Stax Studios, Memphis)
  • Love Song of the Year
    (Session: 10. – 16. Dezember 1973, Stax Studios, Memphis)
  • Help Me
    (Session: 10. – 16. Dezember 1973, Stax Studios, Memphis)
  • My Boy
    (Session: 10. – 16. Dezember 1973, Stax Studios, Memphis)
  • Loving Arms
    (Session: 10. – 16. Dezember 1973, Stax Studios, Memphis)
  • Good Time Charlie’s Got the Blues
    (Session: 10. – 16. Dezember 1973, Stax Studios, Memphis)
  • Talk About the Good Times
    (Session: 10. – 16. Dezember 1973, Stax Studios, Memphis)
  • Promised Land
    (Session: 10. – 16. Dezember 1973, Stax Studios, Memphis)
  • Your Love’s Been a Long Time Coming
    (Session: 10. – 16. Dezember 1973, Stax Studios, Memphis)
  • There’s a Honky Tonk Angel
    (Session: 10. – 16. Dezember 1973, Stax Studios, Memphis)
  • If That Isn’t Love
    (Session: 10. – 16. Dezember 1973, Stax Studios, Memphis)
  • Spanish Eyes
    (Session: 10. – 16. Dezember 1973, Stax Studios, Memphis)
  • She Wears My Ring
    (Session: 10. – 16. Dezember 1973, Stax Studios, Memphis)

Sessioninfos

  • Aufnahme: 10. – 16. Dezember 1973, Stax Studios, Memphis
  • Gitarre: James Burton, Johnny Christopher, Charlie Hodge
  • Bass: Norbert Putnam
  • Schlagzeug: Ronnie Tutt
  • Piano & Olgel: David Briggs, Per-Erik Hallin
  • Gesang: Kathy Westmoreland, Mary (Jeannie) Greene, Mary Holladay, Susan Pilkington, Voice, J.D. Sumner & The Stamps
  • Overdubs:
    • Guitar: Dennis Linde, Alan Rush
    • Percussion: Rob Galbraith
    • Piano: Bobby Ogdin
    • Organ: Randy Cullers
    • Vocals: Ginger Holladay, Mary Holladay, Mary Cain

Veröffentlichungen und Vermächtnis der Stax-Sessions

Die Ergebnisse der Stax-Sessions wurden auf den ALben „Raised on Rock“ im Jahr 1973, „Good Times“ im Jahr 1974 und „Promised Land“ im Jahr 1975 veröffentlicht. Die Songs aus den Sessions brachten Elvis mehrere Top-20-Hits ein, doch die Veröffentlichungen wurden schnell von einer Flut an anderen Projekten, wie einem weiteren Live-Album und einem umstrittenen Spoken-Word-Projekt, überschattet.

Album - Good Times und Promised Land - Elvis Presley
Die Aufnahmen der Stax-Sessions wurden unter anderem auf den Alben „Good Times“ im Jahr 1974 und „Promised Land“ im Jahr 1975 veröffentlicht.

Trotz dieser Umstände heben sich viele der Stax-Aufnahmen als besonders lebendige und bedeutungsvolle Momente in Elvis’ Karriere hervor. Robert Gordon, ein Musikhistoriker aus Memphis, beschreibt die Sessions als eine Art „Offenbarung“, da sie einen erneuten Funken von Elvis’ musikalischer Kraft zeigen, den er nach der harten Scheidungsphase wiederfand.

Die Stax-Sessions waren nicht die letzten Aufnahmen, die Elvis in Memphis machte. 1976 sollte er in seinem Jungle Room in Graceland seine letzten Studioaufnahmen einspielen, doch die Stax-Tracks bleiben das letzte große Aufblühen seines künstlerischen Schaffens.

Zum 40. Jubiläum im Jahr 2013 erschien das Album „Elvis At Stax“. Dieser Tonträger vereinte die besten Tracks aus den Sommer- und Wintersessions, in denen Elvis nach einer persönlichen und künstlerischen Neuorientierung suchte. Mit einer Mischung aus Rock, Soul und Country reflektiert „Elvis At Stax“ die stilistische Vielfalt und musikalische Tiefe des King of Rock ’n‘ Roll in dieser Phase. Die Deluxe-Edition bietet zudem zahlreiche Outtakes, Remixe und Studioeinblicke, die die Arbeitsweise von Elvis greifbar machen. Für Fans und Kenner ist „Elvis At Stax“ ein unverzichtbares Dokument, das die leidenschaftliche Energie und das kreative Potenzial dieser Sessions einfängt.

Elvis At Stax - Delux-Album - 2013
Die Deluxe-Edition von Elvis At Stax präsentiert alle Aufnahmen der legendären Stax-Sessions von 1973. Mit unveröffentlichten Outtakes, Studio-Gesprächen und reichhaltigem Bildmaterial ein Muss für Fans!

Fazit: Ein künstlerisches Erbe mit Licht und Schatten

Elvis’ Sessions im Stax-Studio 1973 sind ein faszinierendes Kapitel in der Geschichte des Rock ’n‘ Roll und der Soul-Musik. Sie zeigen einen Künstler, der sich nach einer schwierigen persönlichen Krise wieder aufrichtete und seine musikalische Leidenschaft neu entdeckte. Die Zusammenarbeit mit Stax bot die Gelegenheit, Memphis‘ unvergleichliche musikalische Tradition zu feiern, auch wenn die Verbindung zwischen Elvis und den Stax-Musikern in kreativer Hinsicht weniger intensiv ausfiel, als man es sich gewünscht hätte.

Die Stax-Sessions bleiben ein Beleg für die Resilienz und das künstlerische Vermächtnis eines Mannes, der trotz persönlicher Schwierigkeiten stets bestrebt war, seine musikalische Kraft zu erneuern und zu zeigen, dass er noch immer der „King“ war.

Auch Interessant?