Hal B. Wallis zählt zu den prägendsten Persönlichkeiten der klassischen Hollywood‑Ära. Mehr als fünf Jahrzehnte lang bestimmte er, zunächst als Leiter der Produktion bei Warner Bros. und später als unabhängiger Produzent, die Geschicke von deutlich über 400 Spielfilmen. Seine Filmografie reicht vom oscarprämierten Drama „Casablanca“ (1942) bis zum Westernklassiker „True Grit“ (1969) und umfasst neben künstlerisch ambitionierten Stoffen auch kommerziell kalkulierte Massenunterhaltung wie die populären Elvis‑Presley‑Musikfilme der sechziger Jahre. Dabei verband Wallis ökonomisches Kalkül mit einem sicheren Gespür für Talente – längst gilt er als „Starmaker“, der Karrieren von Humphrey Bogart bis Shirley MacLaine entscheidend beförderte.

Hal B. Wallis
Gestorben (Alter 87 Jahren)
Herkunft und frühe Jahre
Geboren wurde Hal B. Wallis am 14. September 1899 (in einigen Dokumenten wird auch der 08. Oktober 1898 genannt) in Chicago als Aaron Blum Wolowicz. Seine Eltern, Eva Blum und Jacob Wolowicz, waren aus der damals zum Russischen Reich gehörenden Suwałki‑Region nach Amerika ausgewandert; um der Assimilation willen änderten sie den Familiennamen später in Wallis. 1922 zog die Familie nach Los Angeles. Der junge Harold Brent Wallis, wie er sich jetzt nannte, arbeitete zunächst als Kinomanager, ehe er 1923 einen Einstiegsjob in der Werbeabteilung von Warner Bros. erhielt. Innerhalb weniger Jahre stieg er dort zum Abteilungsleiter auf – ein früher Hinweis auf seinen Organisationsinstinkt und sein Talent, Studiosysteme von innen heraus zu verstehen.
Aufstieg bei Warner Bros. und das Goldene Zeitalter
Schon 1928 verantwortete Wallis die erste eigene Produktion, und 1933 beerbte er Darryl F. Zanuck als Executive in Charge of Production. In dieser Schlüsselposition formte er das raue, schnörkellose Warner‑Profil der Dreißigerjahre. Unter seiner Ägide entstanden Gangsterdramen wie „Little Caesar“ (1930) und „I Am a Fugitive from a Chain Gang“ (1932), aber auch Abenteuerfilme wie „The Adventures of Robin Hood“ (1938) und Melodramen à la „Dark Victory“ (1939). Wallis’ unverwechselbare Handschrift lag weniger in einer einheitlichen Ästhetik als in der geschickten Wahl von Regisseuren und Stars: Er paarte Michael Curtiz mit Errol Flynn, Howard Hawks mit Gary Cooper und entdeckte frühe Hauptrollen für spätere Ikonen wie Bette Davis und Humphrey Bogart.
„Casablanca“ und der Bruch mit Jack L. Warner
Den Höhepunkt dieser Warner‑Phase markierte 1942 „Casablanca“. Als das Liebesdrama 1944 den Oscar als Bester Film erhielt, versuchte Studioboss Jack L. Warner sich auf der Bühne als Produzent feiern zu lassen – Wallis blieb förmlich im Zuschauerraum stecken. Die Demütigung war so nachhaltig, dass er noch im selben Monat kündigte. „Ich konnte nicht glauben, was da geschah; Casablanca war meine Schöpfung, Jack hatte nichts damit zu tun“, erinnerte sich Wallis später. Der Eklat zeigte sein Selbstverständnis: Wallis wollte nicht nur der Mann hinter den Kulissen sein, sondern auch die Lorbeeren für seine Kreativität einfordern.
Schritt in die Unabhängigkeit und die Paramount‑Jahre
Gemeinsam mit dem Finanzexperten Joseph H. Hazen gründete Wallis 1944 die Produktionsfirma Wallis‑Hazen, Inc. und schloss einen Vertriebs‑Deal mit Paramount ab. In dieser Zeit verband er künstlerische Risiken mit Box‑Office‑Sicherheit: Dramen wie „Come Back, Little Sheba“ (1952) standen neben leichten Jerry‑Lewis‑Komödien; der Western „Gunfight at the O.K. Corral“ (1957) demonstrierte seine Affinität zum Historienkino. 1969 gelang ihm mit „True Grit“ ein später Triumph, der John Wayne seinen einzigen Oscar einbrachte und Wallis noch einmal als zuverlässigen Lieferanten massentauglicher Qualität bestätigte.
Zusammenarbeit mit Elvis Presley
Mitte der fünfziger Jahre suchte Wallis nach einem neuen Publikumsmagneten für seine Paramount‑Produktionen. Als er Elvis Presley 1956 in der CBS‑Show „Dorsey Brothers Stage Show“ sah, erkannte er sofort dessen „Magnetismus“ – Stimme und Mimik seien zweitrangig, notierte er. Noch bevor er den Sänger persönlich traf, handelte er mit Manager Colonel Tom Parker einen beispiellosen Filmvertrag aus.
Screen‑Test und Debüt
Ein sorgfältig arrangierter Screen‑Test überzeugte Wallis, dass Elvis durchaus schauspielern konnte, doch er hielt an seiner Strategie fest: Musik und Charisma sollten stets im Vordergrund stehen. Der ursprünglich geplante Nebenauftritt in „The Rainmaker“ scheiterte, sodass Elvis Presley 1956 von 20th Century‑Fox für „Love Me Tender“ ausgeliehen wurde. Den ersten echten Wallis‑Film stellte schließlich „Loving You“ (1957) dar, hier bereits in der Hauptrolle.
„King Creole“ – das seriöse Experiment
Von der überzeugenden Leistung in Loving You ermutigt, gönnte Hal B. Wallis seinem Schützling 1958 mit „King Creole“ unter Regie‑Routinier Michael Curtiz eine dramatischere Herausforderung. Grundlage war Harold Robbins’ Roman A Stone for Danny Fisher, den Wallis für nur 25.000 Dollar erworben hatte, allerdings in eine musikalisch reichhaltige New‑Orleans‑Kulisse verlegte. Viele Kritiker sehen King Creole bis heute als Elvis Presleys schauspielerisches Glanzstück.

Erfolgsformel Musik‑Komödie
Dennoch blieb es Hal B. Wallis’ Überzeugung, dass das Publikum „den Sänger, nicht den Charakterdarsteller“ wollte. Ab 1960 standardisierte er beispielsweise mit „G.I. Blues“, „Blue Hawaii“ (1961) und „Girls! Girls! Girls!“ (1962) eine bunte Mischung aus leichter Romantik, exotischen Schauplätzen und eingängigen Songs. Die Filme entstanden in eng getakteten Acht‑Wochen‑Produktionen; Elvis erhielt 125.000 Dollar Gage plus Nebenkosten, später gar eine halbe Million Dollar und 20 % Gewinnanteil – eine Summe, die Firmenpartner Joseph H. Hazen 1966 für überzogen hielt.
Wirtschaftlicher Siegeszug und kreative Abnutzung
Kommerziell zahlte sich die Formel eindrucksvoll aus: „G.I. Blues“ dominierte die Weihnachtssaison 1960 und verdrängte Presleys ernsthaften Western „Flaming Star“ an den Kassen. Doch die Überproduktion hatte ihren Preis: Zwischen 1957 und 1969 entstanden 31 Elvis‑Filme, neun davon für Wallis. Biograph Bernard F. Dick wirft Hollywood eine „Ausbeutung“ des Stars vor, verteidigt Wallis aber: Wäre es allein nach ihm gegangen, hätte er Elvis nicht durch Überpräsenz entwertet.
Langfristige Wirkung
Wallis’ Beiträge definierten das Bild des „Elvis-Musikfilms“ für eine ganze Generation. Kritisch mag man fragen, ob sie den ernsthaften Schauspieler Elvis Presley verhinderten – doch ohne Hal B. Wallis wäre der Sänger womöglich nie ins Kino gelangt. Die Filme erschlossen neue internationale Märkte und bewiesen, dass Popkultur und Studio‑System auch im Fernsehzeitalter profitabel koexistieren können. Für Wallis selbst sicherten sie langlebige Einnahmeströme und festigten seinen Ruf als Produzent, der Publikumsbedürfnisse schneller begriff als die Konkurrenz.
Liste der Elvis-Filme von Hal B. Wallis
Hier ist eine vollständige Liste aller Elvis-Presley-Filme, die von Hal B. Wallis für Paramount produziert wurden. Diese neun Produktionen entstanden zwischen 1957 und 1967 und prägten maßgeblich Elvis’ Filmkarriere, insbesondere in der Phase seiner größten Popularität als Filmschauspieler:
Jahr | Originaltitel | Regie |
---|---|---|
1957 | Loving You | Hal Kanter |
1958 | King Creole | Michael Curtiz |
1960 | G.I. Blues | Norman Taurog |
1961 | Blue Hawaii | Norman Taurog |
1962 | Girls! Girls! Girls! | Norman Taurog |
1963 | Fun in Acapulco | Richard Thorpe |
1964 | Roustabout | John Rich |
1966 | Paradise, Hawaiian Style | Michael D. Moore |
1967 | Easy Come, Easy Go | John Rich |
Späte Werke und letzte Produktionen
Nach der Elvis-Ära wandte sich Hal B. Wallis hochwertigeren Historienstoffen zu. Mit „Becket“ (1964) und „Anne of the Thousand Days“ (1969) bewies er Gespür für opulente Ausstattung und erstklassige Besetzungen, bevor er 1975 mit „Rooster Cogburn“ die Zusammenarbeit mit John Wayne abschloss. 1975 ehrte die Hollywood Foreign Press Association seinen Lebensweg mit dem Cecil B. DeMille Award, der zuvor nur wenigen Produzenten zuteilwurde.
Privatleben und Persönlichkeit
Abseits des Studios war Hal B. Wallis für Diskretion bekannt. 1927 heiratete er die Komödien‑Ikone Louise Fazenda, mit der er einen Sohn adoptierte; die Ehe hielt bis zu ihrem Tod 1962. Vier Jahre später vermählte er sich mit Schauspielerin Martha Hyer, die ihn bis zu seinem Tod begleitete und gemeinsam mit ihm in philanthropische Projekte, etwa ein Theater an der Northwestern University, investierte. Kollegen beschrieben Wallis als kühlen Strategen, dessen „Wallis‑Chill“ gefürchtet war – zugleich schätzte er leise Ironie und pflegte lebenslange Freundschaften mit Regisseuren wie Michael Curtiz.
Ehrungen, Preise und Vermächtnis
Bereits 1939 zeichnete die Academy Wallis mit dem Irving G. Thalberg Memorial Award aus, 1944 erhielt er eine Variante der neugestalteten Büste – seither darf derselbe Produzent die Trophäe nur einmal gewinnen. Insgesamt kamen seine Produktionen auf 32 Oscars und 121 Nominierungen; Casablanca bleibt der symbolträchtigste Erfolg. Die Golden Globes verliehen ihm 1975 den erwähnten DeMille Award, und 1980 veröffentlichte Wallis seine Autobiografie „Starmaker“, die seinen Werdegang in eigenen Worten dokumentiert.
Tod und Beisetzung
Hal B. Wallis verstarb am 05. Oktober 1986 im Alter von 87 Jahren in Rancho Mirage, Kalifornien, an den Folgen von Diabetes. Die Beerdigung fand in aller Stille statt und entsprach seinem zurückhaltenden Naturell. Auf Wunsch der Familie wurde die Zeremonie im kleinen Kreis abgehalten, ohne mediale Öffentlichkeit. Wallis wurde auf dem Forest Lawn Memorial Park in Glendale beigesetzt – einem traditionsreichen Friedhof, auf dem zahlreiche Größen der Filmgeschichte ihre letzte Ruhe fanden. Kollegen und Weggefährten würdigten ihn als einen der letzten großen Produzenten des klassischen Hollywoods.
Fazit
Hal B. Wallis bewies, dass ein Produzent weit mehr sein kann als ein Zahlenmensch: Als Navigator komplexer Marktmechanismen verband er künstlerische Ambition mit geschäftlicher Weitsicht. Ob bei der Entdeckung junger Talente, der Durchsetzung visionärer Projekte wie „Casablanca“ oder der Vermarktung des Rock‑’n’-Roll‑Phänomens Elvis Presley – Wallis agierte stets an der Schnittstelle von Kunst und Publikum. Seine Karriere erzählt zugleich die Geschichte Hollywoods im 20. Jahrhundert – von den Studiomonopolen der Dreißiger über die antiken Epen der Sechziger bis hin zum Pop‑Crossover der Elvis‑Filme. Wer die Welt des Films verstehen will, kommt an Hal B. Wallis nicht vorbei.