Elvis Presley im Sun Studio – Die Geburt einer Legende

Im Sun Studio nahm Elvis 1954 seine erste Platte auf – ein Wendepunkt, der den Grundstein für den Rock ’n’ Roll und seine Weltkarriere legte.

Stephan
Autor und Betreiber von Elvis-Presley.net. Elvis-Fan seit über 35 Jahren.
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Elvis, Bill Black, Scooty Moore und Sam Phillips im Sun Studio
Elvis, Bill Black, Scooty Moore und Sam Phillips im Sun Studio

Bevor Elvis Presley zum „King of Rock ’n’ Roll“ wurde, war er ein junger LKW-Fahrer mit großen Träumen und einer markanten Stimme. Auf dem Weg zur Arbeit passierte er beinahe täglich das Sun Studio in der Union Avenue von Memphis – ein Ort, der Musikgeschichte schreiben sollte. Hier, im kleinen „Memphis Recording Service“, traf Presley 1953 und 1954 auf Menschen, die sein Talent erkannten und ihm zur Seite standen. Es waren Marion Keisker, Sam Phillips, Scotty Moore und Bill Black, mit denen er einen Sound entwickelte, der so revolutionär wie authentisch war – und der ihn binnen weniger Monate vom unbekannten Provinzjungen zum Radioliebling katapultierte.

Täglicher Blick durchs Fenster zur Musikgeschichte

In den frühen 1950er-Jahren war Elvis Aaron Presley noch weit entfernt von der Ikone, zu der er später werden sollte. Tagsüber arbeitete er als LKW-Fahrer für die Crown Electric Company in Memphis. Fast täglich kam er dabei am „Memphis Recording Service“ (Sun Studio) in der Union Avenue 706 vorbei – einem Studio, das sich durch eine wachsende Reputation in der aufblühenden R&B-Szene auszeichnete. Geführt wurde es von dem ambitionierten Toningenieur und Produzenten Sam Phillips, der bereits Künstler wie Rufus Thomas und Junior Parker entdeckt hatte.

Phillips, Gründer des angeschlossenen Labels Sun Records, finanzierte sein Studio größtenteils durch das Angebot, Studioaufnahmen zu leiten und die entstandenen Mastertapes an größere Plattenfirmen weiterzuvermarkten. In Memphis galt er längst als der herausragende unabhängige Produzent seiner Zeit. Presley, der musikalisch schon länger mit dem Gedanken spielte, eine Schallplatte aufzunehmen, hatte mit dem Sun Studio den für ihn idealen Ort gefunden – und den Mann, der seine Karriere entscheidend prägen sollte.

Gründer Sam Phillips sitzt 1952 vor seinem Aufnahmegerät im Sun Studio, damals nach Memphis Recording Service
Gründer Sam Phillips sitzt 1952 vor seinem Aufnahmegerät im Sun Studio, damals nach Memphis Recording Service

Erster Schritt – Eine Aufnahme auf eigene Kosten

Im Sommer 1953 setzte Elvis Presley seinen Plan in die Tat um. Er betrat das Sun Studio, um auf eigene Rechnung eine Single aufzunehmen – eine Praxis, die damals für viele musikinteressierte Amateure erschwinglich war. Sam Phillips war an diesem Tag nicht im Studio anwesend. Stattdessen nahm sich Marion Keisker, Phillips’ langjährige Assistentin und rechte Hand, des jungen Mannes an.

Keisker war sofort angetan – nicht nur von Elvis’ äußerem Erscheinungsbild, das mit seinen auffällig gegelten Haaren und extravaganter Kleidung aus dem Mainstream der Südstaatenjugend herausstach – sondern vor allem von seiner Selbstsicherheit. Auf ihre Frage, welcher Künstler ihm gesanglich nahekäme, antwortete Elvis schlicht und prägnant: „I don’t sound like nobody.“

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The Wonder Of You: Elvis Presley With The Royal Philharmonic Orchestra

Für seine erste Aufnahme entschied sich der junge Sänger für zwei Songs, die durch die Ink Spots populär geworden waren: „My Happiness“ und „That’s When Your Heartaches Begin“. Keisker war von der Darbietung derart beeindruckt, dass sie ein zusätzliches Band anfertigte – ohne Wissen ihres Chefs. Sie ahnte wohl, dass dieser junge Mann mehr zu bieten hatte als nur eine Stimme für den Hausgebrauch.

Nach Beendigung der Aufnahmen zahlte Elvis die Summe von 3,98 US-Dollar – und verließ das Sun Studio mit seiner ersten, selbstfinanzierten Schallplatte in der Hand.

Geschenk für die Mutter oder strategischer Schachzug?

In späteren Jahren wurde Elvis oft gefragt, warum er diese erste Aufnahme gemacht habe. Seine Antwort lautete häufig, er habe die Platte als Geburtstagsgeschenk für seine Mutter Gladys Presley aufgenommen. Manchmal sagte er auch, er habe einfach nur hören wollen, wie er auf Platte klingt. Beide Erklärungen wirken rückblickend wenig plausibel: Gladys hatte im April Geburtstag, die Aufnahme jedoch fand erst im Sommer statt. Und günstigere Möglichkeiten, seine Stimme aufzunehmen, gab es in Memphis durchaus – etwa in den Recording-Booths (Aufnahmeboxex) der großen Warenhäuser.

Vieles spricht dafür, dass Presley das Sun Studio mit strategischem Kalkül wählte. Sam Phillips war in Memphis eine bekannte Figur. Wer bei ihm vorsprach, konnte sich Hoffnungen auf eine professionelle Karriere machen – und genau das schien Presley bereits 1953 anzustreben. In den Monaten nach seiner ersten Session tauchte er mehrfach im Studio auf, stets mit der gleichen Frage an Marion Keisker: Kennen Sie vielleicht eine Band, die einen Sänger sucht?

Zweite Single – Hoffnung und Durchhaltewillen

Am 06. Januar 1954 wagte Elvis Presley einen weiteren Versuch. Dieses Mal war Sam Phillips persönlich anwesend. Der Produzent hörte sich aufmerksam an, was der junge Mann zu bieten hatte. Elvis hatte sich für zwei Titel entschieden: das melancholische „I’ll Never Stand in Your Way“ und den Song „Casual Love Affair“. Die Session kostete ihn 8,25 Dollar – eine beachtliche Summe für jemanden mit seinem damaligen Einkommen.

Studioinhaber Phillips war angetan, wenngleich noch nicht restlos überzeugt. Doch er notierte sich Elvis’ Kontaktdaten und sicherte ihm zu, sich zu melden. Es sollte der Beginn eines folgenreichen Dialogs werden.

Gründer Sam Phillips, Elvis Presley und Sekretärin Marion Keisker vor dem Sun Studio 1954
Gründer Sam Phillips, Elvis Presley und Sekretärin Marion Keisker vor dem Sun Studio 1954

Der Wendepunkt – Ein Anruf von Sam Phillips

Am 26. Juni 1954 erhielt Elvis endlich den lang ersehnten Anruf: Sam Phillips lud ihn ins Sun Studio zu Demoaufnahmen ein. Die Geschäfte liefen zu jener Zeit schleppend, und Marion Keisker erinnerte ihren Chef an den talentierten jungen Mann mit der ungewöhnlichen Stimme.

Elvis erschien pünktlich und versuchte sich zunächst am Song „Without You“. Doch der Funke sprang nicht über. Sam Phillips war enttäuscht – doch nicht von Elvis’ Talent, sondern davon, dass noch kein Song dabei war, der wirklich zu ihm passte. Um das Potenzial weiter auszuloten, brachte er Presley mit Gitarrist Scotty Moore zusammen, einem Mitglied der Countryband Starlite Wranglers.

Die Chemie zwischen den beiden Musikern stimmte. Wenig später stieß Bassist Bill Black dazu. Das Trio verbrachte die folgenden Wochen damit, musikalisch zueinanderzufinden. Der Wunsch: einen Sound zu schaffen, der frisch, energiegeladen – und unverkennbar war.

05. Juli 1954 – Der Sound, der die Welt veränderte

Am Montag, dem 05. Juli 1954, betraten Elvis, Scotty und Bill erneut das Sun Studio. Geplant war eine Testaufnahme mit der neuen Magnetbandtechnik. Doch trotz aller Bemühungen wollte keine Begeisterung aufkommen. Die Songs wirkten routiniert, aber wenig inspirierend.

In einer spontanen Pause griff Elvis zur Gitarre und begann, „That’s All Right“ von Arthur Crudup zu spielen – einem Bluesklassiker aus dem Jahr 1946. Moore und Black stiegen ein, und plötzlich entstand eine Version, die alles bisher Gehörte übertraf. Schnell, rhythmisch, aufwühlend und dennoch melodiös – eine völlig neue Klangfarbe entstand aus der Improvisation.

Sam Phillips, im Nebenraum aufmerksam geworden, stürmte ins Studio. „Was auch immer ihr da gerade gespielt habt – macht es nochmal!“ Er ließ die Aufnahmegeräte laufen – und war elektrisiert. Was da eben entstanden war, war mehr als eine gute Nummer. Es war ein musikalischer Gamechanger. Ein weißer junger Mann mit der Stimme, dem Drive und dem Feeling eines schwarzen Blues-Sängers – das war für Phillips der Schlüssel zu einem ganz neuen Publikum.

An diesem Abend nahm Elvis noch zwei weitere Songs auf: „Harbor Lights“ und „I Love You Because“. Müde, aber glücklich fuhr er nach Hause. Er hatte das Gefühl, dass sich nun etwas verändern würde – und er sollte recht behalten.

Gitarrist Scotty Moore, Elvis und Bassist Bill Black (v.l.n.r.)
Gitarrist Scotty Moore, Elvis und Bassist Bill Black (v.l.n.r.)

Der Durchbruch – mit „That’s All Right“ im Radio

Zwei Tage später, am 07. Juli 1954, spielte Sam Phillips das frische Demoband seinem Freund Dewey Phillips (kein Verwandtschaftsverhältnis) vor, einem bekannten Radiomoderator beim Sender WHBQ. Dewey war sofort begeistert und kündigte an, die Nummer in seiner populären Sendung Red Hot and Blue zu präsentieren.

Am Abend des 08. Juli 1954 war es soweit: „That’s All Right“ ging erstmals über den Äther – und löste einen Sturm aus. Die Telefonleitungen des Senders glühten, Hunderte Anrufer wollten wissen, wer der Sänger war. Viele glaubten, es handle sich um einen Afroamerikaner.

Dewey Phillips, der spürte, dass hier ein neuer Stern aufgegangen war, kontaktierte die Familie Presley. Elvis, der gerade in einer Kinovorstellung saß, wurde von seinen Eltern aus dem Saal geholt. Gemeinsam fuhren sie zum Sender, wo Dewey ihn dem Publikum live vorstellte – in seinem allerersten Radiointerview.

Fazit

Die ersten Aufnahmesessions im Sun Studio waren weit mehr als bloße Versuche eines jungen Mannes, sich selbst auf Platte zu hören. Sie waren der Auftakt zu einem kulturellen Umbruch, dessen Nachwirkungen bis heute spürbar sind. Elvis Presley traf mit seiner Stimme, seinem Rhythmusgefühl und seiner Präsenz genau den Nerv einer jungen Generation, die nach etwas Neuem suchte.

Sam Phillips’ Gespür, Marion Keiskers Einsatz und das Zusammenspiel mit Scotty Moore und Bill Black führten zu einem Sound, der Genregrenzen sprengte. Mit „That’s All Right“ begann 1954 eine Karriere, die nicht nur Elvis veränderte – sondern die gesamte Musikwelt. Was im Sun Studio entstand, war nichts Geringeres als ein musikalischer Urknall.

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