Am 02. Juli 1956 schreibt Elvis Presley Musikgeschichte: Mit seiner Aufnahme von „Hound Dog“ verwandelt er einen rohen R&B-Song in ein explosives Symbol des aufkommenden Rock ’n’ Roll. Was ursprünglich als bissiger Blues für Big Mama Thornton gedacht war, wird durch Elvis’ Interpretation zu einem der ikonischsten Hits der Popkultur. Sein energiegeladener Gesang, kombiniert mit provokanten Tanzbewegungen im Fernsehen, lässt das prüde Amerika der 50er-Jahre erschüttern – und katapultiert den jungen Sänger endgültig zum Superstar. „Hound Dog“ ist mehr als Musik – es ist kultureller Aufbruch.
Die Geburt eines Songs voller Subtext
1952 treffen sich zwei junge Songwriter in Los Angeles, die später die amerikanische Popmusik nachhaltig prägen sollten: Jerry Leiber und Mike Stoller. Anfang 20 und fest in der R&B-Szene verankert – einem Musikmarkt, den der weiße Mainstream Amerikas weitgehend ignoriert –, schreiben sie an einem Song, der Musikgeschichte schreiben wird. Während einer Autofahrt, klopfend im Takt gegen das Wagendach und spöttelnd über das Verhalten eines Mannes, der einer Frau auf die Nerven geht, entsteht der Text zu „Hound Dog“ – roh, provokant, voller doppelter Bedeutung.
1953 nimmt die kraftvolle Bluessängerin Big Mama Thornton den Song als Erste auf. Ihre Version ist ungeschönt und eindringlich – ein musikalisches Statement weit vor dem Aufkommen feministischer Bewegungen. Ihr „Hound Dog“ ist eine klare Ansage: kein Flehen, sondern Abrechnung mit einem Mann, der wie ein kläffender, anhänglicher Hund nichts als Ärger bringt.
Obwohl der Titel in der R&B-Szene Aufmerksamkeit erregt, bleibt der große Durchbruch aus. Weiße Radiostationen lehnen das Lied ab – zu direkt, zu schwarz, zu unbequem. Daraufhin entsteht 1955 eine weichgespülte Variante: Freddie Bell & The Bellboys nehmen den Song neu auf – ohne Anzüglichkeiten, fröhlich und tanzbar. Diese Version wird wenig später Elvis Presley begegnen – und dessen Karriere wie auch die Geschichte des Songs für immer verändern.
Elvis Presley entdeckt „Hound Dog“
1956 steht Elvis Presley kurz davor, vom regional gefeierten Talent zum nationalen Phänomen aufzusteigen. Mit einem stattlichen Vorschuss hat ihn das Label RCA unter Vertrag genommen, sein erstes Album erobert die Chartspitze. Die kraftvolle Mischung aus Gospel, Blues, Country und Rhythm ’n’ Blues, geprägt von Elvis’ unverwechselbarem Stil, bringt eine völlig neue Klangwelt in die Wohnzimmer der amerikanischen Mittelschicht – begleitet von einer kulturellen Wucht, die nicht zu überhören ist.
Während einer Auftrittserie im New Frontier Hotel besucht Elvis das Sahara Casino in Las Vegas und wird auf „Hound Dog“ aufmerksam – jedoch nicht in der Urversion von Big Mama Thornton, sondern in der gefälliger produzierten Fassung von Freddie Bell & The Bellboys die hier gastieren. Diese eingängigere, radiotaugliche Interpretation weckt sofort sein Interesse. Er integriert den Song in sein Bühnenprogramm und verleiht ihm seine ganz eigene, rohe Energie – musikalisch wie tänzerisch.

Die „Milton Berle Show“ – ein landesweiter Aufschrei
Am 05. Juni 1956 sorgt Elvis Presley mit einem Auftritt in der populären „Milton Berle Show“ für Aufsehen. Millionen Zuschauer verfolgen gebannt, wie der junge Sänger „Hound Dog“ performt – doch es ist nicht nur der Song, der für Wirbel sorgt.
Es ist vor allem Presleys körperlicher Ausdruck, der das Publikum spaltet: Er wiegt seine Hüften in provokanter Weise, das Becken kreist, die Lippen zucken, der Blick glüht. Die Reaktion folgt prompt. Die New York Daily News schreibt:
„Elvis lieferte eine anzügliche und vulgäre Vorstellung ab, gefärbt von einem Animalismus, der in die Spelunken und Bordelle gehört.“
Die Empörung folgt auf dem Fuß: Kirchenvertreter protestieren, Eltern äußern Empörung, Politiker fordern Konsequenzen. Doch während das konservative Amerika schockiert ist, jubelt die Jugend. Elvis wird zum Idol – und „Hound Dog“ zum Soundtrack eines kulturellen Umbruchs. Was als Skandal beginnt, markiert den Anfang eines tiefgreifenden Generationenwechsels.

Die „Steve Allen Show“ – ein Maulkorb mit Schlappohren
Nur wenige Wochen nach dem kontroversen Auftritt in der „Milton Berle Show“ tritt Elvis am 01. Juli 1956 erneut im Fernsehen auf – diesmal in der „Steve Allen Show“ auf NBC. Die Produzenten, sensibilisiert durch die heftigen Reaktionen zuvor, präsentieren einen vermeintlich gezähmten Elvis.
In Frack und Fliege betritt Presley die Bühne – seriös, beinahe steif. An seiner Seite: der Basset-Hund Sherman mit Zylinder und Schleife. Die Botschaft ist unmissverständlich – Elvis soll entschärft, sein animalischer Hüftschwung gezügelt werden. Die Szene wirkt skurril: Während Elvis dem Hund in die melancholischen Augen blickt, beginnt er zu singen. Das Becken schwingt, aber kaum merklich. Ironie ersetzt Provokation.
Das Konzept geht auf. Das Publikum lacht – nicht über Elvis, sondern über den kurios kostümierten Hund. Doch hinter der inszenierten Harmlosigkeit bleibt Widerstand spürbar. Presley spielt mit, aber nach seinen Regeln. Er weiß: Am nächsten Tag wird er im Studio „Hound Dog“ aufnehmen – so, wie er es will.
02. Juli 1956 – Aufnahme und Wendepunkt im Rock ’n’ Roll
Am 02. Juli 1956 betritt Elvis Presley das RCA Studio One in New York – und nimmt in nur wenigen Takes eine Version von „Hound Dog“ (G2WB 5935-31) auf, die wie ein Paukenschlag durch die Musikwelt hallt. Begleitet von den Blue Moon Boys und den Jordanaires, ist seine Interpretation ist schneller, kraftvoller und rauer als das Original von Big Mama Thornton – eine pure, ungezähmte Manifestation des aufkommenden Rock ’n’ Roll.

Zusammen mit „Don’t Be Cruel“ (G2WB 5936-28) auf der gleichnamigen Single veröffentlicht, schießt der Song in Windeseile an die Spitze der Billboard-Charts – und hält sich dort elf Wochen lang. Es ist Presleys erfolgreichste Single in den US-Charts. Für Mike Stoller, einen der beiden Komponisten, kommt die Nachricht überraschend: Gerade erst einem Schiffsunglück entronnen, wird er am Hafen von Jerry Leiber begrüßt – mit den Worten:
„Wir haben einen Riesenerfolg gelandet.“
„Mit Big Mama Thornton?“
„Nein – mit so einem weißen Kerl namens Elvis Presley.“
Wenig später kennt ihn die ganze Welt: Elvis Presley – und seinen Hit „Hound Dog“. Ein Song, der sinnbildlich für seinen frühen Ruhm steht.
Kultureller Sprengstoff
Elvis Presleys Version von „Hound Dog“ war weit mehr als nur eine Neuinterpretation – sie war ein kulturelles Signal mit Sprengkraft. Zwar basierte der Song auf dem Original von Big Mama Thornton, doch Presley machte ihn zum Ausdruck eines gesellschaftlichen Umbruchs. Während Thornton kaum vom Erfolg profitierte, wurde Elvis zur Ikone – und transportierte dabei Elemente schwarzer Musikkultur mitten in das weiße Amerika der 1950er-Jahre.
„Hound Dog“ wurde so zum Türöffner: für den Rock ’n’ Roll, für den Protest der Jugend, für eine neue gesellschaftliche Bewegung. Es war kein gewöhnlicher Hit – sondern ein musikalisches Statement mit weitreichender Wirkung.
Der Song „Hound Dog“
„Hound Dog“ – Songtext
You ain’t nothin‘ but a hound dog
Just cryin‘ all the time
You ain’t nothin‘ but a hound dog
Cryin‘ all the time
Well, you ain’t never caught no rabbit
And you ain’t no friend of mine
Well, they said you was high-classed
Well, that was just a lie
Yeah they said you was high-classed
Well, that was just a lie
Yeah, you ain’t never caught no rabbit
And you ain’t no friend of mine
You ain’t nothin‘ but a hound dog
Cryin‘ all the time
You ain’t nothin‘ but a hound dog
Cryin‘ all the time
Well, you ain’t never caught no rabbit
And you ain’t no friend of mine
Well they said you was high-classed
Well, that was just a lie
Yeah, they said you was high-classed
Well, that was just a lie
Well, you ain’t never caught no rabbit
And you ain’t no friend of mine
Well they said you was high-classed
Well, that was just a lie
You know they said you was high-classed
Well, that was just a lie
Yeah, you ain’t never caught no rabbit
And you ain’t no friend of mine
You ain’t nothin‘ but a hound dog
Cryin‘ all the time
You ain’t nothin‘ but a hound dog
Cryin‘ all the time
Well, you ain’t never caught no rabbit
You ain’t no friend of mine
Songwriter: Jerry Leiber / Mike Stoller
Fazit
Elvis Presleys Interpretation von „Hound Dog“ markiert einen Wendepunkt in der Geschichte der Popmusik. Aus einem rauen Blues-Song wurde ein kulturelles Phänomen, das die Grenzen zwischen Schwarz und Weiß, Tradition und Rebellion, Anstand und Provokation neu definierte. In einer Ära, die vom gesellschaftlichen Konformismus geprägt war, wirkte „Hound Dog“ wie ein Befreiungsschlag – musikalisch und gesellschaftlich. Elvis brachte nicht nur eine neue Klangästhetik auf die Bühne, sondern veränderte das Selbstverständnis einer Generation. Die Aufnahme vom 02. Juli 1956 bleibt bis heute ein Symbol für Aufbruch, Wandel und die unaufhaltsame Kraft des Rock ’n’ Roll.