Memphis – Eine traditionsreiche Bildungseinrichtung mit historischem Glanz steht vor dem Aus: Die Humes Middle School im Norden von Memphis, Tennessee, wird zum Schuljahresende dauerhaft geschlossen. Damit endet nicht nur der Betrieb einer fast 100 Jahre alten Schule – sondern auch ein Kapitel US-amerikanischer Bildungsgeschichte. Denn hier, in den Fluren des roten Backsteingebäudes, drückte einst der junge Elvis Presley die Schulbank.
Die Entscheidung zur Schließung kam abrupt und ohne öffentliche Vorwarnung – sehr zum Unmut von Lehrern, Eltern und Gemeindevorstehern. Kritiker werfen dem Schulbezirk Memphis-Shelby County Schools (MSCS) mangelnde Transparenz und Nachlässigkeit im Umgang mit benachteiligten Schülern vor.
Überraschung kurz vor Schuljahresende
Noch im vergangenen Herbst war dem Lehrpersonal mitgeteilt worden, dass die Schule trotz langjähriger struktureller Herausforderungen weitergeführt werde. Umso größer der Schock, als in den letzten Aprilwochen plötzlich klar wurde: Das Gebäude soll geschlossen und die verbliebenen 193 Schüler umgesiedelt werden – viele davon in die rund fünf Kilometer entfernte Booker T. Washington School in South Memphis.
Die Humes Middle School hatte seit Jahren mit sinkenden Anmeldezahlen zu kämpfen. Zwar bietet das Gebäude Kapazität für mehr als 1.300 Schüler, doch die niedrige Nachfrage führte letztlich zur Infragestellung seiner Wirtschaftlichkeit.
Ein Symbol gescheiterter Bildungspolitik
Die Schließung ist nicht nur das Ende einer Schule – sie ist auch ein weiteres Eingeständnis für das Scheitern des sogenannten Achievement School District (ASD). Dieses vor über zehn Jahren vom Bundesstaat Tennessee ins Leben gerufene Programm sollte besonders leistungsschwache Schulen sanieren, indem sie durch Charterorganisationen betrieben wurden.
Doch der Erfolg blieb aus: Weder konnte das Niveau nennenswert gehoben werden, noch gelang es, stabile Schülerzahlen zu generieren. Die Humes Middle School ist nun eine von fünf ASD-Schulen in Memphis, deren zehnjähriger Sonderstatus in diesem Jahr ausläuft – und die damit vor einer ungewissen Zukunft stehen.
„Entscheidung ohne Dialog“ – Kritik an der Schulbehörde
Bobby White, CEO der Charterorganisation Frayser Community Schools, die Humes im Auftrag des Bundesstaates betreute, zeigt sich enttäuscht über die späte und aus seiner Sicht intransparente Kommunikation durch den Schulbezirk. Schon im Sommer hatte er den Antrag gestellt, die Schule weiter betreiben zu dürfen – erfolglos.
„Wenn man mit armen, marginalisierten Familien arbeitet, schuldet man ihnen Respekt und Ehrlichkeit. Sie verdienen es, frühzeitig informiert und ernst genommen zu werden“, so White. Viele Familien fühlen sich nun übergangen, im Stich gelassen – und sorgen sich um die Zukunft ihrer Kinder in einer ohnehin bildungsschwachen Region.
Auch Mitglieder des Schulvorstands, darunter Stephanie Love und Michelle McKissack, äußerten öffentlich Kritik. Besonders problematisch sei die geplante Umschichtung von Schülern aus Nord- nach Süd-Memphis – zwei Stadtteile mit deutlich unterschiedlicher soziokultureller Prägung.

Gebäudemängel als offizieller Grund – aber Zweifel bleiben
Offiziell verweist die Behörde auf den baulichen Zustand des Gebäudes, das im kommenden Jahr 100 Jahre alt wird. Bereits im Januar hatte die damalige Interims-Superintendentin Toni Williams erklärt, dass das Gebäude „erhebliche strukturelle Probleme“ aufweise. Doch viele fragen sich, warum eine solche Erkenntnis nicht schon früher kommuniziert wurde – zumal im selben Monat ein anderer Charteranbieter Interesse an einer Anmietung bekundete.
Zwar tauchte Humes in einem geleakten internen Plan bereits als Schließkandidat auf, doch konkrete Informationen an Lehrer oder Familien blieben bis zuletzt aus. Auch die neue Schulbezirksleiterin Marie Feagins, erst seit dem 1. April im Amt, zeigte sich überrascht über das Ausmaß der Verunsicherung. Sie sei davon ausgegangen, dass die Information bereits kommuniziert worden sei.
Die letzten Tage einer Ikone
Dass die Humes Middle School mehr ist als nur eine Schule, zeigt sich in ihrem Eintrag im National Register of Historic Places. Denn hier schrieb sich ein Teenager aus ärmlichen Verhältnissen ein, der später als King of Rock ’n’ Roll Weltruhm erlangen sollte: Elvis Presley, Jahrgang 1935, schloss die Schule im Jahr 1953 ab.
Doch Ruhm allein schützt nicht vor dem Zahn der Zeit. Während sich lokale Bildungspolitiker nun um neue Schulgrenzen und Übergangspläne bemühen, bleibt für viele in der Gemeinde das Gefühl zurück, dass Geschichte, Identität und soziale Gerechtigkeit im Verwaltungsapparat unter die Räder geraten sind.
Ein Blick in die Zukunft – doch Fragen bleiben offen
Die betroffenen Familien wurden mittlerweile zu digitalen Infoveranstaltungen am 17. April eingeladen. Eine öffentliche Anhörung vor Ort ist für denselben Abend im Stadtteil South Memphis geplant. Doch die entscheidende Frage bleibt: Was passiert mit den Kindern, die aus ihrem gewohnten Umfeld gerissen werden? Und wie geht die Stadt Memphis mit dem historischen Gebäude um, das zwar marode, aber voller Symbolkraft ist? Eines ist klar: Die Diskussion über Humes ist mehr als ein lokales Schuldrama – sie steht exemplarisch für den schwierigen Spagat zwischen Bildungspolitik, sozialer Verantwortung und dem Erhalt kulturellen Erbes.
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