Elvis Presley in der Hank Snow All‑Star Jamboree

Elvis Presleys Jamboree-Auftritte 1955 weiteten sein Terrain aus, brachten Geld, Machtwechsel und machten Rockabilly zum Massenphänomen.


Elvis Presley in der Hank Snows All‑Star Jamboree

Im Januar 1955 stand Colonel Tom Parker noch nicht offiziell an der Spitze von Elvis Presleys Karriere, doch der ehemalige Karneval‑Promoter hatte bereits einen Plan. Mithilfe des renommierten kanadischen Opry‑Stars Hank Snow buchte Parker den damals 20‑jährigen Elvis Presley als „Special Added Attraction“ in dessen Hank Snow All‑Star Jamboree ein: eine reisende Country‑Revue, in der Snow, Faron Young, die Wilburn Brothers, Mother Maybelle & The Carter Sisters sowie Jimmie Rodgers Snow das Publikum zwischen Texas sowie North und South Carolina unterhielten.

Presleys Gage war mit zunächst 50 Dollar pro Abend bescheiden, doch Manager Parker zahlte freiwillig eine Anzahlung von 425 Dollar – ein Signal, dass er seinen Schützling in diesem Umfeld als Testperson sah. Für Elvis bedeutete die Verpflichtung: raus aus den Turnhallen der „Louisiana Hayride“, hinein in größere Säle, in denen die etablierten Country‑Stars landesweit Fans mobilisierten.

Februar‑Tour: Premiere vor konservativem Publikum

Der erste Einsatz Elvis Presleys im Rahmen der Hank Snow All‑Star Jamboree lief vom 14. bis 18. Februar 1955. Alle fünf Termine lagen in West Texas, New Mexico und Louisiana und sahen in der Regel zwei Shows pro Abend vor. Presley erhielt einen 12‑Minuten‑Slot unmittelbar vor der Pause – spieltechnisch ein undankbarer Platz, dramaturgisch jedoch ideal: Das Publikum war noch frisch, die nachfolgenden Pausenverkäufe profitierten vom Adrenalin.

Termine Februar 1955

DatumStadtLocationUhrzeiten
14.02.Roswell (NM)North Jr. High School Aud.19:30 & 21:30
15.02.Abilene (TX)Fair Park Auditorium19:00 & 21:00
16.02.Odessa (TX)Senior HS Field House19:30 & 21:30
17.02.San Angelo (TX)City Auditorium19:30 & 21:30
18.02.West Monroe (LA)High School Auditorium19:30 & 21:30

Die Reaktionen fielen unerwartet heftig aus. Zeitzeugen berichten, dass vor allem Teenager kreischten, während ältere Besucher irritiert auf Presleys Hüftschwung reagierten – ein Kontrast zu Snows Western‑Balladen. Faron Young erinnerte sich später in Interviews daran, mehrfach ausgebuht worden zu sein, weil die Fans lautstark „Elvis, Elvis!“ forderten, sobald Presleys Kurzauftritt vorbei war.

Der große Südost‑Tour: 01. – 19. Mai 1955

Die Resonanz überzeugte Colonel Tom Parker, eine zweite, deutlich längere Etappe zu vereinbaren. Zwischen 01. und 19. Mai bereiste die Jamboree 20 Städte in acht Bundesstaaten – häufig mit Doppelshows oder mehreren Vorstellungen am Tag.

Tourplan Mai 1955

DatumStadtLocationUhrzeiten
01.05.New Orleans (LA)Municipal Auditorium14:00 / 17:00 / 20:00
02.05.Baton Rouge (LA)HS Auditorium19:00 & 21:00
04.05.Mobile (AL)Ladd Stadium20:15
05.05.Mobile (AL)Ladd Stadium20:15
07.05.Daytona Beach (FL)Peabody Auditorium20:15
08.05.Tampa (FL)Ft. Homer Hesterly Armory14:30 & 20:15
09.05.Fort Myers (FL)City Auditorium20:00
10.05.Ocala (FL)Southeastern Pavilion20:00
11.05.Orlando (FL)Municipal Auditorium19:30 & 21:30
12.05.Jacksonville (FL)New Baseball Park20:00
13.05.Jacksonville (FL)New Baseball Park20:00
14.05.New Bern (NC)Shrine Auditorium19:00 & 21:00
15.05.Norfolk (VA)Norfolk Auditorium15:00 & 20:00
16.05.Richmond (VA)Mosque Theater20:00
17.05.Asheville (NC)City Auditorium19:00 & 21:00
18.05.Roanoke (VA)American Legion Auditorium19:00 & 21:00
19.05.Raleigh (NC)Memorial Auditorium20:00

Highlights der Tour

  • New Orleans, 1. Mai
    Drei ausverkaufte Shows innerhalb von acht Stunden – zusammen rund 12 000 Besucher – markieren Presleys bis dato größtes Publikum.
  • Jacksonville, 13. Mai
    Eine improvisierte Ansage „Girls, I’ll see you backstage!“ löst einen spontanen Ansturm aus; Ordnungskräfte müssen Absperrungen verstärken.
  • Raleigh, 19. Mai
    Die letzte Show des Blocks verdeutlicht, dass Presleys Anziehungskraft längst größer ist als die der Headliner – eine Einsicht, die Hank Snow später offen eingestand.

Musik und Bühne: Ein Stilbruch im Country‑Kosmos

Elvis Presleys Set blieb auch im Mai kurz – selten länger als 15 Minuten –, doch er wechselte geschickt zwischen Rockabilly („Good Rockin’ Tonight“), rhythmischem Blues‑Cover („Shake, Rattle and Roll“) und einer Country‑Ballade wie „You’re a Heartbreaker“. Scotty Moores E‑Gitarre und Bill Blacks Slap‑Bass gaben den Songs ein rhythmisches Fundament, das im unmittelbaren Anschluss an Snows Western‑Swing‑Arrangements noch wuchtiger wirkte.

Auf visueller Ebene verstärkte Elvis den Kontrast: pastelldunkle Jacken, pinke Socken und krokodillederne Schuhe trafen auf Hank Snows traditionell bestickte Nudie‑Suits. Das szenische Gesamtbild ließ erahnen, wohin sich Pop‑Mode und Bühnensprache in den späten 1950ern entwickeln würden.

Wachsende Spannungen hinter den Kulissen

Mit wachsendem Publikumsinteresse stieg Elvis Presleys Gage schrittweise auf 150 Dollar pro Abend. Für Hank Snow und Faron Young bedeutete das einen empfindlichen Relevanzverlust in ihrer eigenen Show. Interne Protokolle belegen, dass Snows Tour‑Management den jungen Sänger zeitweise ans Ende des Programms setzen wollte, um vorzubeugen, dass Zuschauer nach der Pause den Veranstaltungsort verließen.

Colonel Parker jedoch bestand auf dem Programmplatz vor der Pause (Intermission): Wenn Elvis spät aufgetreten wäre, wären Souvenir‑ und Getränkeumsätze eingebrochen. Nach Abschluss des Mai‑Blocks kündigte Hank Snow deshalb die Zusammenarbeit – Parker dagegen hatte den Beweis, dass sein Klient eine eigenständige Tour tragen konnte.

Folgen für Elvis Presleys Karriere

Als Elvis Presley im Frühjahr 1955 im Rahmen von Hank Snows All‑Star Jamboree durch die Südstaaten tourte, wurden die Weichen für seine Zukunft neu gestellt – mit Folgen, die weit über den Applaus der jeweiligen Abendkasse hinausreichten.

Zunächst erweiterte der junge Rockabilly‑Sänger sein geographisches Wirkungsfeld. Bislang vor allem in Texas und Tennessee präsent, eroberte Presley nun systematisch den Südosten der USA. Radiostationen von Tampa bis Norfolk nahmen seine Sun‑Singles in die A‑Rotation – ein entscheidender Schritt, um aus der regionalen Sensation ein aufstrebendes Nationalphänomen zu formen.

Parallel dazu veränderten sich die ökonomischen Rahmenbedingungen. Colonel Tom Parkers penible Abrechnungen belegen, dass allein der Mai‑Block der Tour mehr als 7.000 Dollar brutto einspielte – eine Summe, die Presley in bislang unerreichbare Budgetregionen katapultierte. Mit dem frischen Kapital konnten nicht nur leistungsstärkere Verstärker angeschafft werden; es finanzierte auch einen komfortableren Reisebus sowie zusätzliche Musiker, was den Live‑Sound voluminöser und professioneller machte.

Der ökonomische Aufschwung beschleunigte wiederum den personellen Umbruch hinter den Kulissen. Bob Neal, offiziell noch Presleys Manager, registrierte Parkers wachsenden Einfluss. Ein Jahr später unterschrieb er einen Vertrag, der sämtliche Managementrechte an Parker abtrat – ein symbolischer Machtwechsel, der den Kurs Presleys fortan in einer Hand bündelte.

Schließlich zeigte die Reaktion des Publikums, dass Rockabilly mehr war als eine kurzlebige Moderscheinung innerhalb der Country‑Nische. Das jugendliche Kreischen, das nightly den Saal zum Beben brachte, bewies, dass hier kein Rand­genre, sondern die Sprache einer neuen Konsumentengeneration erklang. Presley und Parker erkannten, dass sie nicht länger auf das Wohlwollen traditioneller Country‑Gatekeeper angewiesen waren, sondern ein eigenständiges Massenpublikum mobilisieren konnten – ein Publikum, das in den kommenden Jahren den Siegeszug des Rock ’n’ Roll tragen würde.

Fazit

Die Hank Snow All‑Star Jamboree war für Elvis Presley mehr als ein weiterer Gig; sie brachte ihn auf größere Bühnen, vor neue Zielgruppen – und zwang traditionelle Country‑Acts, ihre Publikumsstrategie zu hinterfragen. Nach dieser Tour gab es keinen Weg zurück: Presleys Popularität überflügelte die seines Gastgebers, Colonel Parker übernahm endgültig das Ruder, und wenige Monate später unterschrieb Elvis den folgenreichen Vertrag bei RCA Victor. Die Country‑Karawane erwies sich damit als Katalysator für die erste landesweite Rock ’n’ Roll‑Eruption der Popgeschichte.


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Stephan

Autor und Betreiber von Elvis-Presley.net. Elvis-Fan seit über 35 Jahren.

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