Am Valentinstag, den 14. Februar 1964 schrieb Elvis Presley nicht nur Musikgeschichte, sondern auch ein außergewöhnliches Kapitel karitativen Engagements: In einer öffentlichkeitswirksamen Zeremonie in Long Beach, Kalifornien, übergab er die ehemalige Präsidentenyacht USS Potomac – einst schwimmendes Weißes Haus von Franklin D. Roosevelt – an das St. Jude Children’s Research Hospital. Was zunächst wie eine mediale Geste des Showbusiness wirkte, entpuppte sich als bewegendes Symbol für Presleys Wohltätigkeit und als kuriose Station in der langen, bewegten Geschichte eines einzigartigen Schiffes.
Valentinstag in Long Beach – Ein Ereignis, das Schlagzeilen machte
Am 14. Februar 1964, einem warmen, klaren Freitag in Long Beach, Kalifornien, wurde Elvis Presley von einer jubelnden Menge empfangen, als er in einem eleganten grauen Maßanzug den Kai betrat. An seiner Seite stand der beliebte Entertainer und Philanthrop Danny Thomas. Über den Köpfen der beiden flatterten farbenfrohe Wimpel, und ein großes Spruchband kündigte den Anlass des Tages an: “Elvis Presley übergibt heute um 13 Uhr die ‘Yacht Potomac’ an Danny Thomas zugunsten des St. Jude Hospital.” Nur wenige Minuten später überreichte der King of Rock ’n’ Roll Showgröße Thomas symbolisch die Schiffsschlüssel und die Eigentumsurkunde der rund 50 Meter langen, stählernen Präsidentenyacht, die einst Präsident Franklin D. Roosevelt als schwimmendes Weißes Haus diente.
Fotografen aus ganz Los Angeles waren vor Ort, um jede Geste und jeden Moment festzuhalten. Fernsehteams dokumentierten die feierliche Übergabe und interviewten einen sichtlich bewegten Danny Thomas, der die großzügige Spende als “Akt wahren Humanismus’” würdigte. Für Elvis Presley sollte es der einzige persönliche Kontakt mit dem historischen Schiff bleiben – dennoch war dieser Moment perfekt inszeniert. In einer Phase, in der die Beatles gerade ihr spektakuläres US-Debüt gegeben hatten und Presley drohte, ins mediale Abseits zu geraten, war das Event auch ein strategisch kluges Manöver, um Aufmerksamkeit zurückzugewinnen.
Geburtsstunde eines Maritimen Symbols
Die Geschichte der Potomac beginnt 1934 in Wisconsin, wo sie unter dem Namen USCGC Electra auf der Manitowoc Shipbuilding-Werft vom Stapel lief. Das Schiff war als Küstenwachkutter konzipiert, 165 Fuß lang, verdrängte rund 416 Tonnen und wurde von zwei leistungsstarken Winton-Dieselmotoren angetrieben, die eine Höchstgeschwindigkeit von 13 Knoten ermöglichten. In einer Zeit, in der die Prohibition das Land prägte, diente die Electra vor allem der Bekämpfung des Schmuggels entlang der amerikanischen Küsten.
1936 erfolgte die Umwandlung des Zweckschiffes in ein Symbol der Macht: Die US Navy übernahm das Schiff, taufte es in “Potomac” um und rüstete es umfassend für den Einsatz als Präsidentenyacht um. Eine besondere technische Raffinesse war der Einbau eines handbetriebenen Aufzugs in einem scheinbaren Schornstein, der es dem an Polio erkrankten Präsidenten Roosevelt ermöglichte, zwischen den Decks zu wechseln – ein Detail, das die Potomac einzigartig machte.

Roosevelts „Floating White House“
Zwischen 1936 und 1945 absolvierte Präsident Franklin D. Roosevelt mehr als 50 Fahrten auf der Potomac. Das Schiff diente ihm als Rückzugsort für Erholungsausflüge, als informeller Ort für politische Gespräche und als schwimmendes Symbol amerikanischer Stärke. In Erinnerung bleibt besonders der Einsatz im August 1941, als die Potomac vor der Küste Neuenglands kreuzte, während Roosevelt heimlich auf den Kreuzer USS Augusta umstieg, um sich mit dem britischen Premierminister Winston Churchill zu treffen.
Dieses geheime Treffen mündete in der Unterzeichnung der Atlantik-Charta, einem Meilenstein in der Geschichte des Zweiten Weltkriegs. Um die Tarnung aufrechtzuerhalten, blieb die Präsidentenflagge auf der Potomac gehisst, und ein Agent mimte den Präsidenten – eine eindrucksvolle Täuschung, die die politische Bedeutung der Yacht eindrucksvoll unterstreicht. Fortan war die Potomac als „Floating White House“ bekannt.

Vom Staatssymbol zur Touristenattraktion
Nach dem Tod Roosevelts im Jahr 1945 verlor die Potomac rasch an Bedeutung. Nachfolger Präsident Truman bevorzugte die größere USS Williamsburg, und so wurde das einstige Prunkstück in den Fischereischutz des Bundesstaates Maryland überstellt. Anfang der 1960er-Jahre gelangte das Schiff in Privatbesitz. Zunächst fungierte es als Fähre zwischen Puerto Rico und den Virgin Islands, später als schwimmendes Casino.
1963 wurde die Potomac von der Firma Hydro Capital übernommen, mit rund 250.000 Dollar aufwendig restauriert und im King Harbor Marina von Redondo Beach als Touristenattraktion präsentiert. Tausende Besucher besichtigten das ehemalige Präsidentenschiff – doch starke Brandung gefährdete den Liegeplatz, die Versicherung verweigerte den Schutz, und bald stand das Schiff erneut zum Verkauf.
Colonel Tom Parker wittert eine PR-Story
In dieser Phase trat Colonel Tom Parker, Elvis Presleys Manager, auf den Plan. Am 30. Januar 1964 ersteigerte er das Schiff für nur 55.000 Dollar – offiziell im Namen seines berühmten Klienten. Parker hatte die Spende von Anfang an als PR-Coup geplant. Ursprünglich sollte das Schiff der March-of-Dimes-Stiftung (US-amerikanische Wohltätigkeitsorganisation, die damals die Bekämpfung der Polio-Erkrankung förderte) übergeben werden, doch diese lehnte aus Kostengründen ab.
Auch ein Angebot an die Küstenwache in Miami scheiterte, ebenso wie der Versuch, die Yacht einem Museum in Wilmington, North Carolina, zu überlassen. Parker, der stets eine passende Inszenierung zu organisieren wusste, sah in Danny Thomas und dessen St. Jude Hospital, in Elvis Heimatstadt Memphis, schließlich den idealen Abnehmer. Mit einem Spendenakt, der gleichzeitig lokal verwurzelt und national bedeutsam war, gelang es ihm, Elvis wieder ins Rampenlicht zu rücken.
St. Jude – Ein junges Hospital mit großer Mission
St. Jude Children’s Research Hospital in Memphis, Tennessee, ist ein weltweit führendes Zentrum für die Behandlung und Forschung von Kinderkrankheiten, insbesondere Krebs. Es wurde 1962 von dem Entertainer Danny Thomas gegründet. Das Krankenhaus ist bekannt für seine kostenlose medizinische Versorgung, die es Kindern und ihren Familien bietet, sowie für seine bahnbrechende Forschung, die dazu beigetragen hat, die Überlebensraten bei Kinderkrebs erheblich zu verbessern Für Elvis, der seine Kindheit in einfachen Verhältnissen in der Nähe des späteren Klinikstandorts verbracht hatte, war die Verbindung zu St. Jude mehr als symbolisch. Für Parker wiederum war sie ein PR-Triumph.
War war Danny Thomas?
Danny Thomas (1912 – 1991) war ein US-amerikanischer Entertainer, Schauspieler und Produzent libanesischer Herkunft. Er wurde durch Radio, Film und vor allem durch die erfolgreiche TV-Serie “Make Room for Daddy” bekannt. 1962 gründete er das St. Jude Children’s Research Hospital in Memphis, das sich der kostenlosen Behandlung und Forschung lebensbedrohlicher Kinderkrankheiten widmet. Thomas verband Unterhaltung mit sozialem Engagement und prägte so ein bleibendes humanitäres Vermächtnis.
Übergabe und Pressekonferenz
Als der Tag der Übergabe kam, wurde nichts dem Zufall überlassen. Die dem Land zugewandte Seite der Potomac hatte über Nacht einen frischen Anstrich erhalten. Medienvertreter waren informiert, Fans säumten die Hafenmole. Um Punkt 13 Uhr übergab Elvis feierlich die Schlüssel, es folgte eine Pressekonferenz und Fotografen schossen Bilder, die weltweit abgedruckt wurden. Danny Thomas zeigte sich tief bewegt und lobte Elvis’ Großzügigkeit öffentlich. Der King selbst verweilte nur kurz auf dem Schiff, warf einen Blick in das historische Interieur und fuhr noch am selben Abend zurück nach Las Vegas – sein Ziel, Aufmerksamkeit zu schaffen und Gutes zu tun, war erreicht.


Die Potomac nach Elvis
Nach der Übergabe diskutierte der Vorstand von St. Jude zunächst, die Potomac dauerhaft nach Memphis zu holen. Ein Pier am Mississippi wurde in Erwägung gezogen. Doch Thomas blieb realistisch: “Wir betreiben ein Krankenhaus, keinen Yachthafen.” So wurde das Schiff schon im März 1964 für 62.500 Dollar an den Beverly-Hills-Anwalt Kenneth “Red” Tressler verkauft, der es als mobile Bildungseinrichtung nutzen wollte.
Doch auch diese Pläne scheiterten. Die Potomac wechselte mehrfach den Besitzer, wurde verchartert, vernachlässigt – und schließlich 1980 in einen Drogenschmuggelskandal verwickelt. Der Zoll beschlagnahmte das Schiff und ließ es in der Bucht von San Francisco versenken – ein trauriger Tiefpunkt in der Geschichte eines einstigen Symbols.
Auferstehung in Oakland
Die Geschichte der Potomac fand ihr Ende nicht auf dem schlammigen Grund der Bucht von San Francisco. Nur zwei Wochen nach ihrer versenkten Beschlagnahmung durch die US-Zollbehörden wurde das historische Schiff von der US Navy geborgen. Für den symbolischen Preis von 15.000 Dollar wechselte die ehemalige Präsidentenyacht schließlich in den Besitz des Hafens von Oakland. Ein entscheidender Wendepunkt folgte 1983, als sich engagierte Bürgerinnen und Bürger zusammenschlossen, um die maritime Legende vor dem endgültigen Verfall zu bewahren. Unter ihnen: James Roosevelt, der älteste Sohn von Franklin D. Roosevelt. Mit seiner prominenten Unterstützung entstand die gemeinnützige Potomac Association. Das Ziel war ambitioniert: die vollständige Restaurierung des rostenden Schiffswracks.


© Foto: The USS Potomac Association
In einer beispielhaften Gemeinschaftsaktion flossen Gelder aus Gewerkschaften, lokalen Unternehmen sowie von Hunderten engagierter Freiwilliger zusammen. Über fünf Millionen Dollar wurden in den folgenden Jahren gesammelt – genug, um die aufwendige Sanierung des einstigen “Floating White House” zu finanzieren. Zwölf Jahre dauerte der umfassende Wiederaufbau der Potomac. Jedes Detail wurde originalgetreu rekonstruiert, vom Maschinenraum bis zu Roosevelts persönlichem Salon. Seit 1995 liegt das Schiff im Jack-London-Square in Oakland vor Anker.
Als offiziell anerkanntes National Historic Landmark ist die Potomac heute nicht nur ein bedeutendes Zeitzeugnis amerikanischer Geschichte, sondern auch ein beliebtes Besuchsziel. Tausende Menschen aus aller Welt kommen jährlich an Bord, um das Schiff zu besichtigen und in die Vergangenheit eines Präsidenten und eines Rock ‘n’ Roll-Stars einzutauchen, die auf ganz unterschiedliche Weise amerikanische Geschichte geprägt haben.
Elvis als Wohltäter
Elvis Presleys Spende der Potomac war keine Ausnahme. Der Musiker unterstützte zeitlebens karitative Organisationen wie March of Dimes, YMCA oder die Salvation Army. Er spendete großzügig an Einrichtungen für körperbehinderte Kinder in Tennessee und zeigte stets eine tiefe soziale Verantwortung.
Sein enger Vertrauter und Haarstylist Larry Geller überliefert das Presley-Motto: “Geld ist nur dann von Wert, wenn es Leid lindert.” Die Übergabe der Potomac an St. Jude war nicht nur ein mediales Ereignis, sondern ein Ausdruck gelebter Großzügigkeit – mit bleibendem Eindruck.
Fazit
Die USS Potomac ist mehr als ein ausrangiertes Schiff. Sie erzählt von Macht und Mitgefühl, von Repräsentation und Verantwortung. Fast neun Jahrzehnte nach ihrem Bau und über sechzig Jahre nach Elvis’ Spendentag schwimmt sie noch immer – als lebendige Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Ob als Schauplatz präsidialer Geschichte oder als Bühne eines Rock ’n’ Roll-Mythos: Die Potomac zeigt, wie Geschichte nicht vergeht, sondern weitergetragen wird – von Menschen, die sich erinnern und handeln.
Location der Potomac
The USS Potomac Association
540 Water Street
Oakland, CA 94607
Telefon: (510) 627-1215
E-Mail: contact@usspotomac.org
Webseite: usspotomac.org