Dewey Phillips

Dewey Phillips (1926–1968) war ein bahnbrechender Memphis-DJ, dessen Sendung „Red, Hot & Blue“ Rock ’n’ Roll und Elvis erstmals ins US-Radio brachte.

Stephan
Autor und Betreiber von Elvis-Presley.net. Elvis-Fan seit über 35 Jahren.
5 Aufrufe
13 Min. Lesezeit
Dewey Phillips im Studio 1957

Dewey Phillips (1926 – 1968) war ein US-amerikanischer Radiomoderator und einer der ersten DJs, der in den Vereinigten Staaten sowohl afroamerikanische als auch weiße Musik in einem gemeinsamen Sendeformat präsentierte. Mit seiner populären Radioshow „Red, Hot & Blue„, die ab 1949 auf WHBQ in Memphis ausgestrahlt wurde, hatte Phillips maßgeblichen Einfluss auf die Popularisierung des Rock ’n’ Roll.

Kurzprofil von Dewey Phillips

Dewey Phillips

Dewey Phillips

Geburtstag
13. Mai 1926
Geburtsort
Crump, Tennessee
Sternzeichen
Stier
Todestag
28. September 1968
Gestorben (Alter 42 Jahren)
Sterbeort
Memphis, Tennessee
Todesursache
Herzversagen
Beruf
Disc Jockey

Seine Sendung war bekannt für ihren schnellen, improvisierten Stil, ihre genreübergreifende Musikauswahl und ihren Beitrag zur Aufweichung der damaligen Rassentrennung im amerikanischen Rundfunk. Besondere Bekanntheit erlangte Phillips durch die erste Ausstrahlung von Elvis Presleys DebütsingleThat’s All Right“ im Juli 1954. Seine Rolle als Förderer aufstrebender Künstler sowie seine innovative Herangehensweise an Radioprogrammgestaltung machen ihn zu einer Schlüsselfigur der frühen Geschichte des Rock ’n’ Roll.

Dewey Phillips - Collage

Kindheit und frühe Jahre (1926 – 1945)

Dewey Phillips wurde am 13. Mai 1926 im Städtchen Crump im US-Bundestaat Tennessee geboren. Sein Vater James arbeitete bei der Eisenbahn, seine Mutter Rena kümmerte sich um den Haushalt. Die Familie zog früh nach Adamsville, wo Dewey inmitten von Baumwollfeldern, Wanderpredigern und dem knisternden Sound der Schellackplatten im örtlichen Drugstore erste musikalische Eindrücke sammelte.

Mit 18 Jahren trat er der US-Army bei und kämpfte 1944 in der verlustreichen Schlacht im Hürtgenwald. Für seinen Einsatz wurde er mit dem Bronze Star ausgezeichnet. Als er 1945 heimkehrte, mit lädiertem Gehör und der festen Überzeugung, nie wieder in ein Leben voller Routine zurückzukehren, zog es ihn nach Memphis. Die Stadt mit ihren damals rund 400.000 Einwohnern und einer Vielzahl an Radiostationen wirkte auf ihn wie ein offenes Studio, das nur darauf wartete, erobert zu werden.

Der Weg ins Radio: WHBQ und die Geburt von „Red, Hot & Blue“ (1949 – 1953)

Nach verschiedenen Gelegenheitsjobs, unter anderem als Schuh- und Plattenverkäufer, fand Dewey Phillips 1949 seinen Weg zu WHBQ (560 kHz) – einem Sender, der im Erdgeschoss des Gayoso Hotels ein verglastes Studio betrieb. Schon zu Beginn zeigte sich sein Gespür für das Medium: Das Nachtprogramm, so seine Überzeugung, brauchte keine starren Sendepläne, sondern lebendige Show-Instinkte. Kurzerhand installierte er zwei Plattenspieler, eine 50-Watt-Tanzhall-PA und stapelte Cola-Kisten zu einem improvisierten Plattenarchiv.

- Anzeige -
Elvis 85 (BRAVO EDITION)

Seinem neuen Format gab er den Namen „Red, Hot & Blue“. Am 03. November 1949 um 22:15 Uhr wurde die erste Sendung übertragen – eröffnet mit dem Jingle „Got My Mojo Working“. Die Resonanz war unmittelbar: Bereits in der ersten Woche trafen 800 Hörerbriefe ein, nach drei Monaten waren es über 3.000 pro Woche. Programmdirektor Dick Stewart erkannte das Potenzial und räumte dem eigenwilligen Moderator weitreichende Freiheiten ein: Kein Skript, keine Genre-Vorgaben – nur die Werbespots mussten pünktlich laufen.

Eine Nachbidlung des WHBQ-Studios voN Dewey Phillips aus dem Gayoso Hotels steht heute im Sun Studio in Memphis.
Eine Nachbidlung des WHBQ-Studios voN Dewey Phillips aus dem Gayoso Hotels steht heute im Sun Studio in Memphis. © Foto: Elvis-Presley.net

Dewey Phillips und sein Spitznamen „Daddy-O“

„Daddy-O“ war damals ein beliebter Ausdruck im afroamerikanischen Jazz- und Beat-Slang – eine saloppe, freundschaftliche Anredeform, die so viel bedeutete wie „Kumpel“, „Chef“, „cooler Typ“ oder auch „alter Hase“. In der Jazzkultur konnte „Daddy-O“ auch Respekt gegenüber jemandem ausdrücken, der als erfahren oder stilprägend galt.

Dewey Phillips machte diesen Begriff zu einem Markenzeichen, indem er ihn nicht nur im Gespräch mit Gästen, sondern auch in seiner Moderation immer wieder verwendete – häufig mit Ausrufen wie:

„All right now, good people, this is your ol’ Daddy-O comin’ to ya with the real gone sounds…“

Dewey Phillips

Er benutzte die Anrede „Daddy-O“ nicht nur für sich selbst, sondern auch für Musiker, Zuhörer und Werbepartner – was seinen Sendungen eine Mischung aus Lässigkeit und Nähe verlieh. Seine Hörer griffen den Begriff schnell auf, und so wurde „Daddy-O Dewey“ zu einem gängigen Spitznamen.

Stil, Klangregie und kulturelle Sprengkraft

Kennzeichnend für Dewey Phillips war sein rasanter Stil: Er fuhr die Mikrofonregler bis zum Anschlag, ließ Songs ohne Übergang ineinander übergehen, unterbrach die Musik mit wilden Zwischenrufen wie „Ho-ho-hot doggies, good people!“ und zerbrach bei Nichtgefallen auch mal eine Schallplatte direkt vor dem Mikrofon – ein Moment, der zum legendären „Smash Hit“-Geräusch wurde.

Inhaltlich durchbrach er konsequent die Grenze zwischen sogenannten „Race Records“ und Countrymusik: Um 21.05 Uhr lief B.B. King, um 21.08 Hank Williams, um 21.11 Ruth Brown – nicht Herkunft, sondern Klang bestimmte die Reihenfolge. Das Ergebnis: Weiße High-School-Schüler aus East Memphis und schwarze Werftarbeiter aus dem Süden der Stadt lauschten plötzlich denselben Liedern.

Während Behörden im tiefen Süden der Vereinigten Staaten noch Schallplatten mit „jungle rhythms“ beschlagnahmten, gestaltete Dewey Phillips auf Sendung den Soundtrack einer gesellschaftlichen Öffnung, die bald zu einer breiteren Bürgerrechtsbewegung beitragen sollte.

Integration durch Musik: Ein riskantes Experiment

Die konsequente Integration schwarzer und weißer Musik in Dewey Phillips’ Sendung rief schon früh Widerstand hervor. Bereits 1950 sahen sich Lokalpolitiker veranlasst, mit dem Entzug der Sendelizenz zu drohen. Konservative Kirchenzeitungen verunglimpften Phillips öffentlich als „Negro-lover“. Dennoch stellte sich WHBQ-Programmdirektor John Pepper hinter seinen Moderator – auch aus wirtschaftlichem Kalkül.

Der Marktanteil in der Altersgruppe der 15- bis 25-Jährigen stieg auf beeindruckende 70 Prozent, die Werbeeinnahmen verfünffachten sich. Der Möbelsponsor „Royal Furniture“ reagierte prompt und setzte nun gezielt auf multikulturelle Werbespots. Währenddessen ließ Dewey Phillips im Nebenraum Nachwuchstalente wie den jungen Rufus Thomas live auftreten. Aus heutiger Sicht betrachten Historiker die Sendung „Red, Hot & Blue“ als frühes Experiment kultureller Integration – lange bevor die Freedom Rides zum Symbol der Bürgerrechtsbewegung wurden.

Dewey Phillips und Elvis Presley: Eine schicksalhafte Nacht

Juli 1954: „That’s All Right“ geht erstmals auf Sendung

Am 06. Juli 1954 brachte Sam Phillips – der Gründer von Sun Records, nicht verwandt mit Dewey – ein frisch gepresstes Acetat von That’s All Right zur Rezeption des Radiosenders WHBQ. Er suchte jemanden, der den Mut hatte, diese ungewöhnliche Mischung aus Blues und Hillbilly erstmals im Radio zu spielen.

Dewey Phillips griff zu: Am Abend des 07. Juli, um 21:58 Uhr, ließ er die Aufnahme über den Äther laufen – nicht nur einmal, sondern drei-, vier- oder sogar bis zu vierzehnmal, wie Zeitzeugen berichten. Die Telefonleitungen standen nicht mehr still. Die zentrale Frage der Zuhörer lautete: „Wer ist dieser Elvis Presley -schwarz oder weiß?“

Dewey, sich der gesellschaftlichen Brisanz bewusst, wich der direkten Antwort aus. Stattdessen fragte er Elvis Presley live am Telefon: „Welche High School besuchst du?“ Die Antwort, „Humes High„, sorgte für Klärung da es sich um eine ausschließlich weiße Schule in Memphis handlete. Damit war diese Frage für viele Hörer erledigt – und die Single konnte weitergespielt werden.

Dewey Phillips und Elvis am 06. Februar 1955 in der Auditorium North Hall Memphis.
Dewey Phillips und Elvis am 06. Februar 1955 in der Auditorium North Hall Memphis. © Foto: Dye Photography

Freund, Mentor, Katalysator

In den Wochen danach begleitete Dewey Phillips den damals 19-jährigen Elvis auf dem Weg zur lokalen Bekanntheit. Er fuhr ihn zu Auftritten, stellte ihn etablierten Bluesmusikern in der Beale Street vor und vermittelte ihm grundlegende Bühnenerfahrungen. „Schweiß ist okay, Angst nicht“, erklärte er ihm – eine Lektion, die Elvis sich zu Herzen nahm.

Jede neue Sun-Single pries Phillips in seiner Sendung als „Erdrutsch der Woche“ an. Presley bezeichnete ihn später in Interviews als seinen „Radiovater“. In Louis Cantors Biografie „Dewey and Elvis“ nehmen die gemeinsamen Jahre der beiden breiten Raum ein. Auch Musikhistoriker Peter Guralnick betont: Ohne die wiederholten Ausstrahlungen in Phillips’ Sendung wäre Elvis’ erster Hit womöglich kaum über die Grenzen Tennessees hinausgekommen.

Fernsehsendung „Pop Shop“ 1957

Im Jahr 1957 erhielt Dewey Phillips seine eigene Fernsehsendung mit dem Titel „Pop Shop“ – ein Format, das bewusst als ungeschliffene, ungefilterte Alternative zur etablierten American Bandstand inszeniert war. Schnell entwickelte sich die Sendung zu einem der meistbeachteten Programme im Raum Memphis und übertrug den anarchischen Charme ihres Moderators vom Radiostudio auf den Fernsehbildschirm. Der anfängliche Erfolg hielt jedoch nicht lange an. Als Bandstand in syndizierter Form national verbreitet wurde, verschob der Sender „Pop Shop“ auf einen späten und quotenschwachen Sendeplatz.

Nur wenige Tage später kam es in einer Live-Ausgabe der Show zu einem Vorfall, der für erhebliches Aufsehen sorgte: Während der Sendung forderte Phillips seinen Sidekick – einen jungen, abstrakten Maler in einem Affenkostüm – auf, eine lebensgroße Pappfigur der Schauspielerin Jayne Mansfield auf provokante Weise zu berühren.Die Reaktion folgte prompt. Der Stationsleiter zeigte sich empört und erklärte später, Phillips habe „den Sender und mich persönlich bloßgestellt“. Somit endete seine kurze Fernsehkarriere aprupt.

Karriereknick, Alkohol und früher Tod (1958 – 1968)

Mit dem Aufstieg des US-Top-40-Formats in den späten 1950er-Jahren wurden freie, improvisierte Radiosendungen zunehmend zur Ausnahme. WHBQ stellte 1958 auf ein striktes Playlisting um und trennte sich von Dewey Phillips. Fortan schlug sich „Daddy-O“ mit sporadischen Engagements bei Kleinsendern in Alabama, Arkansas und Louisiana durch.

Die wiederholte Zurückweisung setzte dem passionierten Disc Jocky spürbar zu. Zeitzeugen berichten von Medikamentencocktails gegen Schlaflosigkeit und regelmäßigem Alkoholkonsum, um innere Unruhe zu betäuben. Am 28. September 1968 verstarb Dewey Phillips im Alter von nur 42 Jahren in Memphis an Herzversagen. Die Beisetzung erfolgte auf dem Crump Cemetery in Hardin County, Tennessee.

Nachleben und Vermächtnis

Im Jahr 2001 wurde Dewey Phillips posthum in die Memphis Music Hall of Fame aufgenommen. Sein Leben diente 2009 als Vorlage für das Tony-prämierte Broadway-Musical „Memphis“ von Joe DiPietro, das allerdings fiktionale Elemente aus der Biografie von Alan Freed einfließen ließ. Weltweit erinnern Radiosender jährlich am 07. Juli mit Sonder-Playlists an ihn – häufig mit Elvis Presleys „That’s All Right“ zur vollen Stunde.

Auch Bildungsinitiativen wie „TeachRock“ führen Phillips als Beispiel für die gesellschaftsverändernde Kraft der Popmusik an. In einer Zeit, in der Algorithmen das Musikangebot steuern, wirkt sein anarchisch-analoges Sendekonzept aktueller und wichtiger denn je.

Fazit

Dewey Phillips bleibt – trotz seines frühen Todes – eine zentrale Figur der Popkultur. Als unkonventioneller Radiopionier schlug er eine Brücke zwischen dem ländlichen Tennessee und den Klängen der Beale Street, stellte schwarze und weiße Musiker gleichberechtigt nebeneinander und entzündete damit das kulturelle Feuer, aus dem der Rock ’n’ Roll hervorging. Die erstmalige Ausstrahlung von Elvis Presleys „That’s All Right“ durch Phillips markierte einen Wendepunkt: Sie ebnete nicht nur den Weg für Presleys Karriere, sondern auch für den Erfolg von Sun Records – und zeigte, wie kraftvoll eine einzige Radiosendung sein kann.

Zwar verdrängten Alkoholprobleme, Formatradio und gesundheitliche Rückschläge ihn aus dem Sendealltag, doch sein Einfluss lebt fort: in offenen Playlists, genreübergreifenden Produktionen und in jedem jugendlichen Ruf nach Freiheit. Memphis vergisst ihn nicht – ohne „Daddy-O-Dewey“ wäre der weltweite Aufstieg des Rock kaum vorstellbar. Seine Botschaft bleibt: Wer mutig hört, öffnet neue Räume.

Teilen
Keine Kommentare